Die evangelische Kirche und die menschenverachtenden Systeme

 In einigen Bundesländern ist der 31. Oktober Feiertag. Die evangelische Kirche in Deutschland (EKD) feiert den Reformationstag. Ilse Junkermann, Landesbischöfin in Mitteldeutschland, predigt an diesem Tag in 2011 mehr Mut zum Bekenntnis christlicher Werte und mahnt zudem an, keine gemeinsame Sache „mit menschenverachtenden Systemen“ zu machen, selbst wenn diese demokratisch gewählt worden seien.  

Damit lehnt sich Frau Junkermann ziemlich weit aus dem Fenster, denn die Fragen seien erlaubt, was „menschenverachtend“ denn heißt und was in diesem Zusammenhang der Begriff „Systeme“ bedeuten soll. 

Der Kapitalismus als solches kann ihrerseits weder als „menschenverachtend“, noch als „System“ gemeint sein, denn sonst müsste die EKD laut Junkermann die Zusammenarbeit mit Deutschland aufkündigen und auf die finanzielle Förderung durch Steuergelder verzichten. Tut sie aber nicht. 

Hartz IV – sowohl „System“, als auch „menschenverachtend“ – kann es aus selbigem Grund auch nicht sein. Das Diakonische Werk der EKD hat Hartz IV mit ermöglicht und verdient nicht schlecht daran. 

Was oder wen meint Frau Junkermann? Die „Achse des Bösen“?

Wochenendzitat: herrschende Gedanken

Die Gedanken der herrschenden Klasse sind in jeder Epoche die herrschenden Gedanken, d.h. die Klasse, welche die herrschende materielle Macht der Gesellschaft ist, ist zugleich ihre herrschende geistige Macht.

Quelle: Die deutsche Ideologie. Marx/Engels, MEW 3, S. 46, 1846/1932
Veröffentlicht in Wochenendzitat, Zitate. Schlagwörter: , . Leave a Comment »

Wochenendzitat: „Alles für alle und zwar umsonst“

Diesmal aus dem „Wochenend in Zuidcoote“ (original: „Weekend à Zuydcoote“) von Robert Merle aus dem Jahr 1950. Es war das erste Buch eines damals Zweiundvierzigjährigen. Ein Buch in dem die Ausweglosigkeit des modernen Krieges und die Fragwürdigkeit unseres Daseins einen äußerst realistischen Ausdruck gefunden haben. Trotz des fast beiläufigen und harmlosen Titels „Wochenend in Zuidcoote“ (so ähnlich wie „ein Wochenende im Freibad – juhu“)handelt es sich hierbei um ein französisches Kriegsbuch. Der Roman hat seine Handlung am Wochenende 1. und 2. Juni 1940 während der Schlacht um Dünkirchen. Auf dem überhasteten Rückzug vor den deutschen Truppen sammeln sich versprengte britische und französische Truppen rund um die Stadt Dünkirchen. Britische Truppen werden von den Stränden um Dünkirchen aus nach England eingeschifft, aber den französischen Soldaten wird der Zugang zu den Evakuierungsschiffen verwehrt. So irren die Soldaten orientierungslos, ohne Moral und Disziplin in den Dünen bei Zuydcoote und Bray-Dunes umher.
Der Autor Robert Merle selbst war einer von ihnen und man findet in dem Roman so viel authentisches, dass es bei der Veröffentlichung sogar zu einer Klage des hier zitierten Taxifahrers kam. Merle hatte nicht nur dessen Worte übernommen, sondern auch den echten Namen.

Ausnahmsweise findet sich das Zitat nicht hier, sondern auf haeppis weblog

oder hier als Scan

Veröffentlicht in Wochenendzitat, Zitate. 1 Comment »

CDU will Arbeitsdienst einführen

aus dem Entwurf für ein Regierungsprogramm 2009 – 2013 von CDU und CSU:

925 • Schwerpunkt der Grundsicherung für Arbeitsuchende muss das Bemühen um Qualifizierung

926 und Vermittlung sein. Wir wollen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Anreize zur

927 Arbeit durch die Neuordnung der Hinzuverdienstregelungen sowie eine konsequente Miss-

928 brauchsbekämpfung verstärken. Die Grundsicherung für Arbeitsuchende soll grundsätzlich

929 mit einer Gegenleistung verbunden sein.

(Die Zahlen sind die Zeilennummerierungen, die übernommen wurden)
wer sich für den ganzen Entwurf interessiert:
http://wikileaks.eu/leak/cdu-regierungsprogramm-2009-2013-entwurf.pdf

Bemerkenswert finde ich in dem Zusammenhang noch folgende Zitate aus dem Focus dieser Woche.

Focus Nr. 22 22. Juni 2009 Seite 30
Interview mit Peter Ramsauer (CSU)

Die Politik darf nicht nur auf Randgruppen blicken, die von der Gemeinschaft mitgezogen werden.

Focus Nr. 22 22. Juni 2009 S28
Bericht über die Entstehung des Regierungsprogramm 2009 – 2013 von CDU und CSU:

Weitgehend ohne öffentlichen Zwist arbeiteten die Führungsleute seit Monaten an einem geschmeidigen Programm. Die meisten Fachpolitiker aus dem Bundestag wurden dabei konsequent ignoriert. [Hervorherbung durch cers]
Immer wieder haben sich Ronald Pofalla, Merkel-Vertrauter und CDU-Generalsekretär, sowie sein CSU-Amtskollege Alexander Dobrindt in Berlin im Konrad-Adenauer-Haus getroffen.
[…]
Dabei rangen sie weniger um Sachfragen, als vielmehr um Formulierungen. Ob „Mehrwertsteuer“ oder „Umsatzsteuer“, ob beide Begriffe oder nur einer Verwendung findet, darüber konnten etwa die beiden Generalsekretäre nach Angabe von Beobachtern „drei Stunden lang“ streiten.

Die Operation schwarz-gelb läuft. [Hervorherbung durch cers]

cdulogo

Wochenendzitat: Hochintelligente Vögel

[…]
Der Hubschrauber senkt die Nase und pladdert an der Wand der Schlucht entlang. Wir schrecken ein paar Vögel auf, die vor uns in die Luft aufsteigen und mit schnellen, abgehackten Flügelschlägen davonfliegen. Mark kramt schnell nach dem Fernglas unter seinem Sitz.
Keas!“ sagt er. Ich nicke, allerdings nur ganz leicht. Mein Kopf muss schon mit genügend gegenläufigen Bewegungen fertig werden.
Das sind Bergpapageien„, sagt Mark. „Hochintelligente Vögel mit langen, krummen Schnäbeln. Damit können sie Scheibenwischer von Autos reißen – und machen es auch.
Es irritiert mich immer, wie schnell Mark Vögel erkennen kann, die er noch nie gesehen hat, selbst wenn sie bloß Kleckse am Horizont sind.
Der Flügelschlag ist unverwechselbar„, erläutert er. „Aber wenn wir nicht in diesem lauten Hubschrauber säßen, wären sie noch einfacher zu erkennen. Sie gehören zu den Vögeln, die während des Fluges hilfreicherweise ihren Namen rufen. Kea! Kea! Kea! Macht sie sehr beliebt bei allen Vogelbeobachtern. Es wäre toll, wenn der Streifenschwirl den Trick auch lernen könnte. Würde das Auseinanderhalten von Heuschreckenschilfsängerarten erheblich vereinfachen.“ Er folgt ihrem Flug noch einige Sekunden, bis sie einen großen Felsvorsprung umrunden und aus unserem Blickfeld verschwinden. Dann lässt er sein Fernglas sinken. Wir waren nicht hergekommen, um uns die Keas anzusehen.
Sind trotzdem interessante Vögel, mit einigen komischen Eigenarten. Ausgesprochen penibel, was den richtigen Bau ihrer Nester angeht. Man hat mal ein Keanest gefunden, mit dessen Bau die Vögel 1958 begonnen hatten. 1965 haben sie noch immer rumprobiert und Teile dazugesteckt, aber richtig eingezogen waren sie noch nicht. Sind Dir in dieser Hinsicht ziemlich ähnlich.
[…]

Douglas Adams
Mark Carwardine
„Die letzten ihrer Art“ – Eine Reise zu den aussterbenden Tieren unserer Erde
Wilhelm Heyne Verlag München
29. Auflage
ISBN: 978-3-453-06115-6
Seite 136; Zeile 7 bis Seite 137; Zeile 6

Titel der Originalausgabe:
Last Chance to see…
erschienen 1990 bei William Heinemann Ltd., London

Veröffentlicht in Wochenendzitat. 1 Comment »

Wochenendzitat: Walpurgisnacht

(Harzgebirg Gegend von Schierke und Elend.)

Faust (mit der Jungen tanzend).
   Einst hatt’ ich einen schönen Traum;
   Da sah ich einen Apfelbaum,
   Zwei schöne Äpfel glänzten dran,
   Sie reizten mich, ich stieg hinan.

Die Schöne.
   Der Äpfelchen begehrt ihr sehr,
   Und schon vom Paradiese her.
   Von Freuden fühl’ ich mich bewegt,
   Dass auch mein Garten solche trägt.

Mephistopheles (mit der Alten).
   Einst hatt’ ich einen wüsten Traum;
   Da sah ich einen gespaltnen Baum,
   Der hatt’ ein ungeheures Loch;
   So groß es war, gefiel mir’s doch.

Die Alte.
   Ich biete meinen besten Gruß
   Dem Ritter mit dem Pferdefuß!
   Halt’ Er einen rechten Pfropf bereit,
   Wenn Er das große Loch nicht scheut.

Auszug aus:
Faust. Eine Tragödie. (auch Faust. Der Tragödie erster Teil oder kurz Faust I). von Johann wolfgang von Goethe

Das Werk gilt als eines der bedeutendsten und meistzitierten der deutschen Literatur und der Fausttradition selbst. Das Drama greift die vielfach von anderen Autoren gestaltete Geschichte des historischen Doktor Faustus auf und weitet sie im Faust II zu einer Menschheits-Parabel aus.

Faust I nach Kapiteln geordnet, mit Versnummerierung 

Veröffentlicht in Wochenendzitat. Leave a Comment »

Bedürftigkeit als Kundenbindung

Das wichtigste aus dem folgenden Buch:
Titel: Fast ganz unten. Wie man in Deutschland durch die Hilfe von Lebensmitteltafeln satt wird;
Autor: Stefan Selke;
Verlag: Westfälisches Dampfboot;
ISBN: 978-3-89691-754-6;
Preis: 19,90€
habe ich unten zitiert. Es passt vielleicht nicht ganz in die Rubrik Wochenendzitate, steht aber trotzdem drin:

(S. 146-148 aus „Fast ganz unten“ von Stefan Selke)

Wie gehen die als bedürftig deklarierten Menschen damit .um, dass sie Kunden einer Lebensmitteltafel sind? Wie empfinden die Kunden also ihr soziales Umfeld? Werden Sievon Ihrem Umfeld überhaupt als Bedürftige erkannt? Das sind einige der Fragen, die ich mir zwischenzeitlich stelle.

Wer als „benachteiligt“ oder „bedürftig“ eingestuft wird, sei es durch offizielle Instanzen oder im sozialen Umfeld, der wird stigmatisiert. Insgesamt kann man in Deutschland fast von einer Konjunktur der Benachteiligungsrhetorik sprechen, die Gutes meint, aber oft genau das Gegenteil erreicht. Durch Stigmatisierung wird einer Person ein Merkmal zugeordnet, das diese Person von anderen in einer sozial unerwünschten Form unterscheidet. Durch dieses negative Attribut erfolgt eine soziale Diskreditierung, die zu zusätzlichen Nachteilen führt und damit oftmals die vorausgehende Stigmatisierung ex post rechtfertigt und somit verstärkt. Dies ist die klassische Sichtweise der Soziologie.15Die tiefere Ursache der Stigmatisierung liegt in einem normativen Druck, den die Gesellschaft auf ihre Mitglieder ausübt. Dieser besteht darin, ein „normales Leben“ führen zu müssen. Noch immer gehört die Vorstellung von der Triade Ausbildung – Beruf – Einkommen zur Grundausstattung eines auf soziale Integrität zielenden Denkens. Wer anders lebt oder leben muss, etwa weil er seine Arbeitsstelle verloren hat, wird unter dem gesellschaftlichen Druck verbogen. Wer von der uniformen Erfolgsnorm abweicht, wird dadurch bestraft, dass man ihm einen Status als „Abweichler“ zuschreibt.16 In der Folge hiervor teilt sich die Welt in Gewinner und Verlierer. In diesen defizitären Prozess greifen die Tafeln ein, indem sie durch ihr Angebot und ihre Leistungen die Bedürftigkeit der betroffenen Menschen immer wieder bestätigen. Die Stigmatisierung als „Benachteiligter“ ist also zwingende Bedingung für die Aufrechterhaltung der Unterstützungsmaßnahmen.

„Abweichendes Verhalten“ ist also keine Qualität der Person, sondern eine Folge der Anwendung von Regeln, wie sie in diesem Fall von den Tafeln im Rahmen eines breiten Konsens aufgestellt werden. Abweichung entsteht ganz einfach deshalb, weil sich die Gesellschaft ein Regelwerk verschafft, dessen Verletzung als Abweichung deklariert wird. Menschen werden als „Bedürftige“ stigmatisiert (wobei dieses Stigma sogleich mit der Bezeichnung „Kunde“ kaschiert wird), weil sie die Regel, ein normales Leben zu führen, offensichtlich verletzten.

Das Problematische an Stigmatisierungsprozessen dieses Typs ist die Tatsache, dass sie kaum umkehrbar sind. Mit der Etikettierung als „Bedürftiger“ beginnt ein sich selbst verstärkender Prozess, denn aus der gewählten Bezeichnung wird umgekehrt geschlossen, dass die Gründe für die Armut in der Person des Bedürftigen selbst liegen müssen. Aus soziologischer Sicht lässt sich feststellen, dass die öffentliche Produktion von Bedürftigkeit den Zweck hat, Institutionen wie die Tafeln, die sich professionell mit abweichenden Lebensumständen beschäftigen, zu legitimieren.

 

Stellt man sich diesem Gedanken, dann wird das enorme politische Potenzial der Tafeln sichtbar. Die Armen sind ohne die Tafeln in vielen Belangen hilflos.

Aber auch umgekehrt gilt, dass die Tafeln ohne die Armut aufgabenlos wären. Erreicht eine Organisation oder ein Verbund aus singulären Hilfseinrichtungen (die sich einer gemeinsamen Leitidee verpflichtet haben) erst eine bestimmte Größe und damit Komplexität, dann ist es dysfunktional die Ursachen der Armut zu bekämpfen. Jede Organisation einer bestimmten Größe ist an ihrem eigenen Fortbestand interessiert und muss daher dafür sorgen, dass sie genügend Gründe aufweisen kann, die ihren eigenen Bestand legitimiert. Deshalb sind die Tafeln auf der rhetorischen Ebene an der Abschaffung der Armut interessiert, müssen aber (zwangsläufig) auf der praktischen Ebene an der Produktion von Bedürftigkeit mitwirken.17

 

17 Eise Øyen Seiten 353-374 in

Die Entwicklung des soziologischen Wissens: Ergebnisse eines halben Jahrhunderts

Von Nikolaĭ Genov

Veröffentlicht von VS Verlag, 2005

ISBN 3810041211, 9783810041210

EUR: 39,90

Ergänzung:

Vier Personen werden des Diebstahls angezeigt, da sie nachts abgelaufene Lebensmittel aus den Containern von Supermärkten genommen haben. Die vier Beschuldigten wurden zur Polizei-Dienststelle gebracht, einer von ihnen in Handschellen.
Quelle: http://de.indymedia.org/2009/03/244091.shtml
Darum werden zum Beispiel bei Lidl in Köln-Merheim die Mülltonnen eingesperrt:
19-03-09_1510

Wochenendzitat: Das ist unsere Sache

Heute habe ich mal mein aktuelles Lieblingszitat aus der Fachliteratur für Kölner und andere hier online gestellt. Dabei habe ich mich so weit wie möglich an das Original gehalten:

„Wir sind den Bonzen* nicht verantwortlich, die sich erdreisten, uns zu sagen, was wir mit unserem Leben anfangen sollen, die Kriege erklären, die wir für sie auskämpfen müssen, um das zu schützen, was sie besitzen. Wer sagt, dass wir den Gesetzen gehorchen müssen, die sie in ihrem Interesse zu unserem Nachteil erlassen haben? Und wer sind sie, dass sie sich einmischen, wenn wir für unsere eigenen Interessen arbeiten? Das ist unsere Sache**“,[…]*³ „Das sind unsere eigenen Angelegenheiten. Wir werden unsere Welt selber regieren, denn es ist unsere Welt, unsere Sache*². Sonst werden sie uns einen Ring durch die Nase ziehen, wie sie den Millionen […]*4 in diesem Land den Ring durch die Nase gezogen haben.“

Na schon erraten woher es stammt? – hier noch die Erläuterungen zu den Sternchen:

*original: pezzinovanta (wörtlich: neunzig Stücker, umgangssprachlich: Bonzen)
** original: Sonna cosa nostra
*³ …sagte Don Corleone…
*² original: cosa nostra – italienisch, unsere Sache bzw. unsere Angelegenheit
*4…von Neapolitanern und den anderen Italienern …

Natürlich meine Quelle ist:
Mario Puzo: Der Pate,
Deutsche Ausgabe:
Verlag Fritz Molden, Wien / München / Zürich 1969
Übersetzung: Gisela Stege
15.Auflage 1977
Seite 338

 

Vielleicht schaffe ich es jedes Wochenende ein aktuelle Lieblingszitat zu bringen