ALG-II-Bezieher sind ehrliche Leute

«Sozialbetrug» muss zwar nicht gleich des Wort des Jahres 2008 werden. In diesen Tagen ist es aber nicht nur an Stammtischen wieder ziemlich gefragt. Vier Jahre nach dem spektakulären Fall des «Florida-Rolf» machen jetzt «Mallorca-Karin» und andere Missbrauchsfälle in TV-Serien und Presseberichten die Runde. Doch Fachleute sprechen von absoluten Ausnahmen, die keineswegs bezeichnend für die Masse der Hartz-IV-Bezieher sind. Bundesregierung, Bundesagentur für Arbeit und Paritätischer Wohlfahrtsverband haben keinerlei Erkenntnisse über einen signifikanten Anstieg solcher Fälle.

so berichtet AP auf ihrer Seite http://www.pr-inside.com
Weiter heißt es dort:

«Fast alle Hartz-IV-Empfänger sind ehrliche Leute und wären froh, wieder einen festen Job zu bekommen, mit dem sie nicht mehr auf Arbeitslosengeld II angewiesen wären», sagt Ilona Mirtschin von der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg. Und eine Sprecherin des Bundesarbeitsministeriums verweist auf das reichhaltige Arsenal an Vorkehrungen gegen den Missbrauch von Sozialleistungen.
Die wichtigste ist der Datenabgleich zwischen den Behörden, mit dem sich leicht feststellen lässt, ob ein Hartz-IV-Bezieher doch irgendwo beschäftigt ist. Aber auch Bankdaten können die Behörden einsehen und so erkennen, ob ein Langzeitarbeitsloser etwa einen Freistellungsauftrag erteilt hat, was ja auf das Vorhandensein von Vermögen schließen lässt. Auch Ulrich Schneider vom Paritätischen Wohlfahrtsverband hält die Gesetze gegen Sozialbetrug für ausreichend. «Sie sind schon heute dazu geeignet, Hartz-IV-Bezieher regelrecht zu überwachen», berichtet er.

Im Jahr 2006 hat die Nürnberger Bundesagentur laut Sprecherin Mirtschin in 126.600 Fällen Bußgelder verhängt oder Strafverfahren eingeleitet. Allerdings betrafen nur 47.300 und damit weit weniger als die Hälfte davon ALG-II-Empfänger. Bei rund fünf Millionen Beziehern von Arbeitslosengeld II ist das ein sehr geringer Anteil.

Im Vergleich zu den zigtausend Klagen die für die Betroffenen positiv beschieden werden ist diese Summe dann auch schon fast zu vernachlässigen. Ja es scheint geradezu so, dass mehr Menschen Leistungen vorenthalten werden, als es so genannte „Schmarotzer“ gibt

SPD-Linke schreibt offenen Brief

Angesichts der sich immer weiter öffnenden Schere zwischen Arm und Reich schlägt die SPD-Linke Alarm und fordert eine Umkehr in der Wirtschaftspolitik. In einem Aufruf mit dem Titel «Reichtum nutzen, Armut bekämpfen, Mittelschicht stärken», der hier zum download zur Verfügung steht, verlangen die 60 Unterzeichner unter anderem die Einführung eines gesetzlichen, flächendeckenden Mindestlohns, die Rücknahme der Rente mit 67 und die Wiedereinführung der Vermögensteuer.

«Über gerechtere Steuern und eine sozialdemokratische Arbeits- und Arbeitsmarktpolitik wollen wir eine Bildungsoffensive und einen starken Sozialstaat finanzieren», heißt es in dem Papier, das unter anderem von
SPD-Vorstandsmitglied Hilde Mattheis,
DGB-Bundesvorstand Claus Matecki,
Ver.di-Bundesvorstand Margret Mönig-Raane,
dem Bundesvorsitzenden der IG Bau, Claus Wiesehügel,
sowie den Abgeordneten Herta Däubler-Gmelin, Marco Bülow, Ottmar Schreiner und Klaus Barthel unterzeichnet wurde.

Die Unterzeichner werfen Bund und Ländern vor, «in den letzten Jahren immer weniger ihrer Aufgabe gerecht zu werden, durch eine entsprechende Finanz-, Steuer- und Vermögensbildungs- und Sozialpolitik die Einkommen je nach sozialer Belastbarkeit und zum Wohle der Allgemeinheit umzuverteilen». Unter Berufung auf den 3. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung prangern die Unterzeichner an, dass die Einkommensverteilung so weit auseinanderklafft wie noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik. Die Angst der Mittelschicht vor Armut wachse und die Aufstiegsmöglichkeiten würden geringer, hieß es. Sie räumten zwar ein, dass die Arbeitslosenquote zurückgehe, machten aber darauf aufmerksam, dass gleichzeitig durch die massive Ausweitung des Niedriglohnsektors die Armutslöhne zunehmen. Im Hinblick auf die Arbeitsmarktpolitik fordern die Unterzeichner neben der Einführung eines Mindestlohns die Beschränkung von Leiharbeit, die Begrenzung der Höchststundenzahl für Minijobs auf 15 Stunden, die Umwandlung der Ein-Euro-Jobs in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse und den Ausbau des öffentlichen Beschäftigungssektors.

Unter dem Stichwort «starker Sozialstaat» subsumieren die SPD-Linken Forderungen

  • nach einer Rücknahme der Rente mit 67,
  • nach einer Anhebung der Hartz-IV-Regelsätze und
  • nach Fortführung der Altersteilzeitregelung.
  • Die Kranken- und Pflegeversicherung soll zu einer Bürgerversicherung ausgebaut werden, die zu einem höheren Anteil aus Steuermitteln finanziert werden soll.
  • Der Gesundheitsfonds soll ausgesetzt sowie
  • Zuzahlungen und Praxisgebühr wieder abgeschafft werden.
  • Neben der Wiedereinführung der Vermögensteuer fordern die SPD-Linken eine
  • geänderte Erbschaftsteuer, die dem Staat mindestens zehn Milliarden Euro einbringt – bei hohen Freibeträgen für Ehegatten und Kinder.
  • Steueroasen sollen trockengelegt,
  • Steuerhinterziehung soll effektiver bekämpft werden.
  • Die Progression der Einkommensteuer soll neujustiert werden, damit die unteren und mittleren Einkommen stärker entlastet werden. Schließlich verlangen die Unterzeichner eine
  • Wiedereinführung der Entfernungspauschale mit sozialer Komponente und die
  • Abschaffung des Ehegattensplitting zugunsten eines kinderorientierten Familienlastenausgleichs.

 

Das Papier mit dem Titel „Reichtum nutzen, Armut bekämpfen, Mittelschicht stärken“ stellte SPD-Vorstandsmitglied Hilde Mattheis am Montag im SPD-Vorstand vor. Laut „Frankfurter Rundschau“ vom Dienstag bezeichnete SPD-Chef Kurt Beck die Forderungen in der Sitzung als „wichtigen Beitrag“ zu einem sozialdemokratischen Wahl- und Regierungsprogramm.

SPD will Wohngelderhöhung vorziehen

Düsseldorf (ots) – Die SPD will nach Informationen der in
Düsseldorf erscheinenden Rheinischen Post (Mittwochausgabe)die
Wohngelderhöhung um drei Monate vorziehen und bereits zu Beginn der
Heizperiode am 1. Oktober in Kraft treten lassen. Die Arbeitsgruppe
„Energie“ der SPD-Bundestagsfraktion habe sich unter Vorsitz des
SPD-Fraktionsvorsitzenden Peter Struck auf einen entsprechenden
Vorstoß als Maßnahme gegen die gestiegenen Energiepreise geeinigt,
schreibt die Zeitung unter Berufung auf die Fraktionsspitze. Die
Wohngelderhöhung war ursprünglich erst zum 1. Januar 2009 geplant.
Außerdem solle das bestehende Gebäudesanierungsprogramm um 270
Millionen Euro aufgestockt werden, schreibt die Rheinische Post
weiter. Die SPD wolle außerdem die Einführung von Mikro-Krediten für
Verbraucher prüfen lassen. Diese Darlehen sollen von den Stadtwerken
oder der Deutschen Energieagentur  für den Kauf von energiesparenden
Haushaltsgeräten ausgegeben werden.
Die Vorschläge sollen auf der SPD-Klausur am Sonntag in Brandenburg
vorgestellt werden, so die Zeitung.

Originaltext:         Rheinische Post

Regelsatzerhöhung senkt das Armutsrisiko

Die Erhöhung des Hartz-IV-Regelsatzes auf 420 Euro wird unter anderem von dem Paritätischen Wohlfahrtsverband und den Grünen gefordert. Den Berechnungen des IAB zufolge würde dadurch die Armutsrisikoquote, das heißt der Anteil der von Armut bedrohten Personen, um zwei Prozentpunkte von 15 auf 13 Prozent sinken. Haushalte mit Kindern würden in überdurchschnittlichem Maß von dem höheren Regelsatz profitieren. Beispielsweise könnte so die Armutsrisikoquote für die Gruppe der Alleinerziehenden von 22,5 Prozent auf 15 Prozent gesenkt werden.

Natürlich müssen die Nürnberger Arbeits“markt“forscher sofort auch darauf hinweisen, dass eine solche Erhöhung nicht möglich sei. Sie verweisen dabei auf die Kosten und auch klar und deutlich auf zu niedrige Löhne, nur interpretieren sie das anders.
Der Preis für diese Veränderungen wäre jedoch hoch. Zum einen weil über Steuererhöhungen oder Ausgabenkürzungen zehn Milliarden Euro jährlich aufzubringen wären. Zum anderen hätte die höhere Regelleistung auch deutliche negative Anreizeffekte und liefe somit dem Ziel der Aktivierung und der Hilfe zur Beendigung des Leistungsbezugs entgegen„, warnen die Nürnberger Arbeitsmarktforscher. Schließlich würde der Abstand zu den niedrigsten Löhnen weiter schrumpfen.

Dieses absolut blödsinnige Argument findet sich schon seit den Tagen der Sozialhilfe. So lange es nicht genügend Arbeitsstellen für Arbeitswillige gibt, braucht man über eine Aktivierung (sinnvoll oder nicht) der Arbeitsunwilligen gar nicht zu spekulieren.