„Whistleblower-Urteil“ ist rechtskräftig

Das sogenannte „Whistleblower-Urteil“ des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) vom 21.07.2011 ist rechtskräftig. Damals klagte sich die Berliner Altenpflegerin Brigitte Heinisch vergeblich durch alle gerichtlichen Instanzen in Deutschland gegen ihre Kündigung. Die Kündigung erfolgte unter Berufung auf das gestörte Vertrauensverhältnis und Missachtung der Loyalität. Brigitte Heinisch machte Pflegemissstände ihres Arbeitgebers ‚Vivantes‘ öffentlich, nachdem sie zuvor erfolglos die Mängel betriebsintern angeprangert hatte.

Diesen Umstand und das öffentliche Interesse betrachtete der EGMR als höherwertig, berief sich auf die „Freiheit der Meinungsäußerung‘, Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention, und verdonnerte Deutschland zur Zahlung von 10.000,- Euro, zuzüglich aller Gerichtskosten. Nachdem die Bundesrepublik nun die Frist zur Berufung verstreichen ließ, gilt das Urteil als rechtskräftig. Damit ist auch der Klageweg gegen den Arbeitgeber wieder offen.

‚Vivantes‘ strebt eine außergerichtliche Klärung an und bietet laut verschiedenen Presseberichten der Klägerin 70.000,- Euro oder Gespräche über die Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses.

Die KEAs (http://www.die-keas.org/) wiesen in ihrem Artikel vom 22.07.2011 (http://www.die-keas.org/node/465) bereits darauf hin, dass dieses Urteil auch Mitarbeiter der Jobcenter stärken würde, sofern diese sich zum Beispiel zum Rechtsbruch oder provozierten Schikanen und Sanktionen gegen Erwerbslose genötigt sehen würden und diese Umstände öffentlich machen wollten.

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Urteil: Verspätete Abgabe des Antragsformulars für Arbeitslosengeld II führt nicht zur Verwirkung

Der Kläger sprach am 9. Juni 2005 bei der Beklagten wegen der Beantragung von Leistungen nach dem SGB II vor. Ihm wurde dabei ein Antragsformular ausgehändigt, auf das im Feld „Tag der Antrag­stellung“ der Stempel „9.6.05“ aufgebracht wurde. Persönliche Daten des Klägers wurden an diesem Tag durch die Beklagte nicht erfasst. Am 3. Januar 2006 legte der Kläger sodann das nunmehr aus­gefüllte Antragsformular vom 9. Juni 2005 bei der Beklagten vor. Er gab an, seinen Lebensunterhalt durch das Arbeitslosengeld nach dem SGB III, Erspartes und Darlehen seiner Eltern bestritten zu haben. Der beklagte Grundsicherungsträger gewährte ab 3. Januar 2006 Arbeitslosengeld II; das Be­gehren des Klägers, die Leistungen bereits ab 9. Juni 2005 zu erbringen, wurde von dem Beklagten abschlägig beschieden. Das Sozialgericht hat der hiergegen gerichteten Klage stattgegeben, das Landessozialgericht hat den erstinstanzlichen Gerichtsbescheid aufgehoben und die Klage ab­gewiesen. Der Kläger habe zwar am 9. Juni 2005 wirksam einen Antrag gestellt; die mit dem Antrag geltend gemachten Leistungsansprüche seien aber für die Zeit bis vor dem 3. Januar 2006 durch Verwirkung erloschen. Der Kläger habe nach seiner Antragstellung nichts mehr getan, um seine An­sprüche weiter zu verfolgen. Insbesondere habe er das ausgefüllte Antragsformular erst fast sieben Monate nach der Antragstellung vorgelegt.

Der 14. Senat des Bundessozialgerichts hat der Revision des Klägers im Verfahren B 14 AS 56/08 R am 28. Oktober 2009 nach mündlicher Verhandlung stattgegeben und den der Klage stattgebenden Gerichtsbescheid des Sozialgerichts wiederhergestellt.

Dem Kläger steht für den Zeitraum ab dem 9. Juni 2005 ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu. Er hat am 9. Juni 2005 (gemäß § 37 SGB II) wirksam einen Antrag auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende gestellt. Das Landessozialgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Anspruch des Klägers für den Zeitraum bis zur Vorlage des aus­gefüllten Antragsformulars entsprechend § 242 BGB verwirkt sei, weil der Kläger nach der Antrag­stellung seine Ansprüche nicht weiter verfolgt habe. Gemäß § 16 Abs 3 SGB I muss der Grund­sicherungsträger darauf hinwirken, dass der Antragsteller unverzüglich klare und sachdienliche An­träge stellt und unvollständige Angaben ergänzt. Für den an­tragstellenden Bürger besteht im Ver­waltungsverfahren die Verpflichtung mitzuwirken. So kann nach § 60 SGB I von dem Antragsteller verlangt werden, bestimmte Beweismittel zu bezeichnen und auf Ver­langen des zuständigen Leistungs­trägers Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzu­stimmen. § 66 SGB I sieht bei fehlender oder nicht recht­zeitiger Mit­wirkung die Sanktion der Leistungsversagung vor, wenn die dort genannten Voraus­setzungen erfüllt sind. Der beklagte Grundsicherungsträger hätte sich dieser Instrumente des sozialrechtlichen Verwaltungsverfahrens bedienen müssen, die hier einen Rückgriff auf das Rechtsinstitut der Verwirkung ausschließen.

Hinweis zur Rechtslage:

§ 37 SGB II
(1) Die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende werden auf Antrag erbracht.
(2) Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende werden nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht. …

§ 41 SGB II
(4) Satz 4: Die Leistungen sollen jeweils für sechs Monate bewilligt und monatlich im Voraus erbracht werden.

§ 16 SGB I
(3) Die Leistungsträger sind verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass unverzüglich klare und sachdien­liche Anträge gestellt und unvollständige Angaben ergänzt werden.

§ 66 SGB I
(1) Kommt derjenige, der eine Sozialleistung beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 nicht nach und wird hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich er­schwert, kann der Leistungsträger ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, soweit die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen sind. …

Veränderte Lebenslage – ArGe muss erneut aufklären

Eine Familie, die Arbeitslosengeld II bezieht, muss vom Grundsicherungsträger erneut über die Unangemessenheit ihrer Unterkunftskosten belehrt werden, wenn sich ihr Wohnbedarf durch die Geburt eines Kindes erhöht hat. Dies hat das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz entschieden.

Grundsätzlich haben Empfänger von Grundsicherungsleistungen nur Anspruch auf Übernahme ihrer tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung, wenn diese angemessen sind. Lediglich für eine Übergangszeit, in der Regel sechs Monate, werden zu hohe Unterkunftskosten übernommen, um dem Hilfebedürftigen Gelegenheit zu geben, sich eine preiswertere Wohnung zu suchen. Dies setzt allerdings voraus, dass dem Hilfebedürftigen der für seine Familie angemessene Mietpreis bekannt ist.

Der Sozialhilfeträger hatte die Frau 2002 zu Beginn des Leistungsbezugs darüber aufgeklärt, dass die Wohnung für sie und den älteren Sohn  zu teuer sei. Zwei Jahre später, im Herbst 2004, wurde der zweite Sohn der Klägerin geboren. Der Grundsicherungsträger legte für die Zeit nach Einführung des Arbeitslosengeldes II („Hartz IV“) zum 01. Januar 2005 der Leistungsberechnung lediglich die für drei Personen als angemessen erachtete Kaltmiete zugrunde. Die Kläger seien bereits während des Bezuges von Sozialhilfe hinreichend darüber aufgeklärt worden, dass ihre Wohnung zu teuer sei.

Dem ist das Landessozialgericht entgegen getreten. Die Kläger haben wegen der Geburt des zweiten Kindes Anspruch auf eine größere Wohnung als zum Zeitpunkt der Belehrung durch den Sozialhilfeträger. Der Grundsicherungsträger hätte dies daher zum Anlass nehmen müssen, die Kläger auf den nunmehr für sie geltenden Mietpreis hinzuweisen. Da dies nicht geschehen ist, haben sie weiterhin Anspruch auf Übernahme ihrer tatsächlichen Kaltmiete.

  • Landessozialgericht Rheinland-Pfalz; Urteil vom 21.04.2009
    [Aktenzeichen: L 3 AS 80/07]

Verspätete Erbschaftszahlung mindert Anspruch auf ALG II

Im Alter von rund 43 Jahren darf ein ALG-II-Bezieher auch 6500 Euro auf dem Sparkonto haben – ohne, dass das seinen Anspruch mindert. Schließlich gibt es ja ein Schonvermögen. (Grundfreibetrag: für Leute bis 20 Jahre: 4.100 €;  für Leute ab 21 Jahre, die 1948 oder später geboren sind: 150 € pro Lebensjahr)

Anders ist es aber, wenn er diese 6500 Euro erbt. Das Sozialgericht Koblenz entschied in einem solchen Fall: Hier gilt das Erbe als „Geldzufluss“ – und wird als Einkommen für zwölf Monate betrachtet. Im Klartext: Die 6500 werden durch 12 Monate geteilt, was einem monatlichem Einkommen von rund 542 Euro entspricht. Die Sozialbehörde kürzte die monatlichen Leistungen an die Klägerin entsprechend.

Die Frau war dagegen der Meinung, die Erbschaft sei kein Einkommen, sondern Vermögen. Das aber sei so gering, dass es bei der Berechnung der Leistungshöhe nicht berücksichtigt werden dürfe.Das Sozialgericht sah die Sache anders. Das Gericht betonte, Vermögen sei rechtlich betrachtet nur, was der Hilfeempfänger bei Beginn der Bedarfszeit bereits besitze. Als Einkommen gelte dagegen alles, was der Betroffene während dieser Zeit wertmäßig zusätzlich erhalte. Daher habe die Behörde die Erbschaft zu Recht als Einkommen gewertet.

Im verhandelten Fall für den Erben besonders ärgerlich: Der Erbfall war bereits eingetreten, bevor er selbst zum ALG-II-Empfänger wurde. Lediglich die Auszahlung des Erbes hatte sich verzögert. Bei pünktlichem Erbantritt wäre die Erbschaft zum Schonvermögen gerechnet worden, hätte auf das ALG II keinen Einfluss gehabt.

Die Richter: Allein der Zeitpunkt der Auszahlung zählt (Az.: 6 AS 1070/08).

Hartz-IV: Anrecht auf volle Übernahme von Beiträge bei privater Krankenversicherung

Das Sozialgericht Gelsenkirchen entschied, wie heute bekannt wurde, am 02.10.2009 durch Eilbeschluss (S 31 AS 174/09 ER), dass ALG II – Empfänger ein Anrecht auf die volle Übernahme ihrer Beiträge für die private Krankenversicherung im Basistarif haben. Hintergrund ist, dass aufgrund der Gesundheitsreform 2007 ab 01.01.2009 die vormals privat krankenversicherten ALG II – Empfänger nicht mehr gesetzlich krankenversichert sind und in der PKV bleiben müssen. Aufgrund der unzureichenden Übernahmeregelung in § 12 Abs. 1 c Versicherungsaufsichtsgesetz verbleibt jedoch eine Lücke von mindestens 155 €, die aus dem Regelsatz aufzubringen ist. Da die betroffenen Personen dies nicht können, ruht der Versicherungsschutz wegen Zahlungsverzuges. Zudem sehen sie sich den Zwangsvollstreckungsmaßnahmen der Versicherungsunternehmen ausgesetzt. Diesem unzumutbaren Zustand hat das Sozialgericht Gelsenkirchen einen Riegel vorgeschoben und die Regelung des § 26 Abs. 2 Nr. 2 SGB II für freiwillig gesetzlich Krankenversicherte, deren Beiträge ohne Begrenzung übernommen werden, analog angewandt. Es läge, so das Gericht, eine systemwidrige Belastung der Betroffenen vor, die mit dem verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz nicht vereinbar sei.

Abwrackprämie in Sachsen-Anhalt anrechnungsfrei

Halle, 25. September 2009

Wie schon zuvor das Sozialgericht Magdeburg hat auch das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt jetzt entschieden, dass die Abwrackprämie nicht als Einkommen auf die Leistungen nach dem SGB II angerechnet werden darf. Es sei eine zweckbestimmte Einnahme, mit der die Bundesregierung den Absatz von Neuwagen fördern wollte. Würde die Prämie angerechnet werden, hätten die Leistungsbezieher nicht zum Kauf eines Neuwagens motiviert werden können. Auch stehe die Prämie nicht für den Unterhalt zur freien Verfügung, da sie wirtschaftlich betrachtet in die Bezahlung des Neuwagens einfließe. Das neue Auto sei nicht als Vermögen zu verwerten gewesen, da es den vermögensgeschützten Wert von 7.500 Euro nicht erreiche.

Landesozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 22. September 2009, L 2 AS 315/09 B ER, rechtskräftig.

Hintergrund:
§ 11 SGB II Zu berücksichtigendes Einkommen
(1) Als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen in Geld oder Geldeswert …
.
(3) Nicht als Einkommen sind zu berücksichtigen .Einnahmen, soweit sie als zweckbestimmte Einnahmen…einem anderen Zweck als die Leistungen nach diesem Buch dienen und die Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach diesem Buch nicht gerechtfertigt wären…

Hier findet Ihr das Urteil des LSG: http://die-linke.de/fileadmin/download/kommunal-antragsdatenbank/Download_-_Kommune/LSG_L_2_AS_315-09_B_ER.pdf

Unkenntnis von Überzahlung beruht nicht auf grober Fahrlässigkeit

Unkenntnis von Überzahlung beruht nicht auf grober Fahrlässigkeit
Ist für Bezieher von Arbeitslosengeld II anhand der Bewilligungsbescheide nicht ohne weiteres erkennbar, dass die Grundsicherungsbehörde Einkommen unzureichend angerechnet hat, darf die Behörde Überzahlungen für zurückliegende Zeiträume nicht zurückverlangen. Dies hat das Sozialgericht Dortmund entschieden. [Aktenzeichen: S 28 AS 228/08]
Im zugrunde liegenden Fall verlangte die Arbeitsgemeinschaft Märkischer Kreis (ARGE) von einer dreiköpfigen Familie aus Hemer die Erstattung von 2314,- Euro an Leistungen nach dem SGB II. Die ARGE hatte über einen Zeitraum von zwei Jahren mehrere Neuberechnungsbescheide erlassen, weil die Eheleute über wechselnde Beschäftigungen und Einkommen verfügten. In diesem Zusammenhang vergaß der Sachbearbeiter, das Kindergeld für die Tochter auf deren Leistungsanspruch durchgehend anzurechnen….

Landessozialgericht: Abwrackprämie ist Einkommen

ALG-II-Bezieher müssen sich die staatliche Abwrackprämie für Altwagen als Einkommen leistungsmindernd auf ihre Sozialbezüge anrechnen lassen. Mit diesem am Mittwoch veröffentlichten rechtskräftigen Beschluss wies das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen in Essen in zweiter Instanz die Klage eines ALG-II-Empfängers zurück. Der Mann aus Bochum war gegen die telefonische Auskunft seiner zuständigen Arge, er müsse sich die Abwrackprämie anrechnen lassen, vor das Sozialgericht Dortmund gezogen und dort unterlegen.

Nach Ansicht des LSG ist die Abwrackprämie als Einkommen zu werten und muss deshalb bei der Berechnung der Bezüge leistungsmindernd berücksichtigt werden. Die Prämie verschaffe dem Leistungsbezieher erhebliche Geldmittel in mehrfacher Höhe einer monatlichen Regelleistung. Damit beeinflusse sie die Lage des ALG-II-Empfängers so günstig, dass daneben Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II nicht gerechtfertigt wären.

Abweichend zum Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg fällte nun das Landessozialgericht in Nordrhein Westfalen seine Urteile und befasste sich auch mit dessen Begründung.

SG Magdeburg: Bei der Abwrackprämie handelt es sich um zweckgebundenes Einkommen ähnlich wie bei der staatlichen Eigenheimzulage .

LSG Nordrhein Westfalen: Ein Vergleich mit der Eigenheimzulage verbiete sich, da Wohneigentum ein wesentlicher Bestandteil privater Altersvorsorge sei.

Das Thema wird uns weiter beschäftigen.

Az.: L 20 B 59/09 AS ER, B.v. 03.07.2009

Az.: L 20 B 66/09 AS, B.v. 03.07.2009

Keine Pauschalierung der Heizkosten

Die Grundsicherung nach dem SGB II lässt eine Pauschalierung der Heizkosten nicht zu, denn die laufenden Leistungen für Heizung sind grundsätzlich in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu erbringen.

Geht der Grundsicherungsträger davon aus, dass eine Wohnung insgesamt angemessen ist, so kann er in der Regel nicht bei den Heizkosten eine in Relation zur Anzahl der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft unangemessene Wohnungsgröße wieder zur Geltung bringen und – wie hier – die Heizkosten pauschal im Verhältnis der tatsächlich angemieteten Wohnfläche zur abstrakt angemessenen Wohnfläche kürzen. Die Größe der Wohnung ist bei der Bestimmung der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft nur einer von mehreren Ermittlungs- bzw. Berechnungsposten. Ist eine Wohnung von ihren Mietkosten her nach der sog Produkttheorie angemessen, so sind die angemessenen Heizkosten grundsätzlich zu erstatten.

Nicht erstattungsfähig sind Heizungskosten lediglich dann, wenn sie bei sachgerechter und wirtschaftlicher Beheizung als der Höhe nach nicht erforderlich erscheinen. Dies setzt eine konkrete Prüfung im Einzelfall voraus. Bei ihr kann der Grundsicherungsträger ein Überschreiten der oberen Grenzwerte des lokalen bzw., soweit ein solcher nicht existiert, des bundesweiten Heizspiegels als Indiz für fehlende Erforderlichkeit ansehen; wobei die Grenzwerte im Interesse der Gleichbehandlung von Mietern und Wohnungs- bzw. Hauseigentümern nach der jeweils angemessenen Wohnungsgröße zu bestimmen sind.

Bundessozialgericht – B 14 AS 36/08 R – vom 02.07.2009

Der 14. Senat des Bundessozialgerichts berichtet über seine Sitzung vom 2. Juli 2009 wie folgt:
1) Die Revisionen der Kläger führten zur Aufhebung der Entscheidung des LSG und zur Zurückverweisung. Auf Grund der Feststellungen des LSG kann nicht entschieden werden, in welcher Höhe bei den den Klägern zustehenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts Aufwendungen für Unterkunft und Heizung zu berücksichtigen sind. Der beklagte Grundsicherungsträger ist allerdings bei der Ermittlung der angemessenen Heizkosten von unzutreffenden rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen, die die Vorinstanzen übernommen haben. Der Senat hat zwischenzeitlich bereits wiederholt entschieden, dass auch die laufenden Leistungen für Heizung grundsätzlich in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu erbringen sind.

Hier bewohnten die Kläger zwar eine nach den Wohnraumförderbestimmungen des Landes Niedersachsen zu große Wohnung, der Mietpreis für diese Wohnung lag jedoch so niedrig, dass die Beklagte offensichtlich keine Bedenken gegen die Angemessenheit der Wohnung als solche hatte. Geht der Grundsicherungsträger davon aus, dass eine Wohnung insgesamt angemessen ist, so kann er in der Regel nicht bei den Heizkosten eine in Relation zur Anzahl der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft unangemessene Wohnungsgröße wieder zur Geltung bringen und – wie hier – die Heizkosten pauschal im Verhältnis der tatsächlich angemieteten Wohnfläche zur abstrakt angemessenen Wohnfläche kürzen. Die Größe der Wohnung ist bei der Bestimmung der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft nur einer von mehreren Ermittlungs- bzw Berechnungsposten. Ist eine Wohnung von ihren Mietkosten her nach der sog Produkttheorie angemessen, so sind die angemessenen Heizkosten grundsätzlich zu erstatten. Nicht erstattungsfähig sind Heizungskosten lediglich dann, wenn sie bei sachgerechter und wirtschaftlicher Beheizung als der Höhe nach nicht erforderlich erscheinen. Dies setzt eine konkrete Prüfung im Einzelfall voraus. Bei ihr kann der Grundsicherungsträger ein Überschreiten der oberen Grenzwerte des lokalen bzw, soweit ein solcher nicht existiert, des bundesweiten Heizspiegels als Indiz für fehlende Erforderlichkeit ansehen; wobei die Grenzwerte im Interesse der Gleichbehandlung von Mietern und Wohnungs- bzw Hauseigentümern nach der jeweils angemessenen Wohnungsgröße zu bestimmen sind.

SG Braunschweig – S 18 AS 814/06 –
LSG Niedersachsen-Bremen – L 9 AS 179/07 –
Bundessozialgericht – B 14 AS 36/08 R –

Partner von ALG-II-Empfänger muss nicht immer zahlen

Lebt ein Paar erst kurze Zeit zusammen, braucht sich ein Antragsteller vom Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende (Arbeitslosengeld II – „Hartz IV“) nicht zwangsläufig auf Unterstützung durch seinen Partner verweisen zu lassen.

Das hat das LSG Nordrhein-Westfalen in einem jetzt veröffentlichten Urteil zu Gunsten eines Diplombetriebswirts entschieden. Der junge Mann aus Paderborn hatte für eine viermonatige Übergangszeit zwischen erfolgreichem Studienabschluss und Beginn seiner Beschäftigung Sozialleistungen beantragt. Kurz vor seinem Antrag war er zu seiner Freundin gezogen. Der Träger der Grundsicherung hatte eine Hilfebedürftigkeit des Klägers verneint: Er müsse sich auch das Einkommen seiner Freundin anrechnen lassen, mit der er in einer Bedarfsgemeinschaft lebe (§ 9 II 1 SGB II).

Dieser Argumentation trat das LSG entgegen. Bestehe die Lebensgemeinschaft kürzer als ein Jahr sei das für eine Bedarfsgemeinschaft vom Gesetz über das bloße Zusammenleben hinaus verlangte gegenseitige Einstehen in Not- und Wechselfällen des Lebens („Einstandswille“, § 7 III Nr. 3 c SGB II) im Einzelnen zu ermitteln. Dabei können nach Ansicht des 19. Senats des LSG bei einem Zusammenleben von weniger als einem Jahr nur gewichtige Gründe die Annahme einer Einstandsgemeinschaft rechtfertigen. Ebenso wenig wie das SG Detmold vor ihm sah der Senat einen Einstandswillen des Klägers und seiner Freundin als erwiesen an. Denn beim Antrag auf Hartz-IV-Leistungen im August 2007 seien beide erst seit sechs Monaten ein Paar gewesen und hätten erst anderthalb Monate zusammen gelebt. Zudem habe der Kläger nach Bestehen seines Betriebswirtschaftsdiploms zunächst nur übergangsweise in die gerade einmal 32 Quadratmeter große Wohnung seiner Freundin in Paderborn ziehen wollen, um Miete zu sparen und sich von dort aus bundesweit auf offene Stellen zu bewerben. Über die Ausgaben der gemeinsamen Haushaltsführung hätten beide genau Buch geführt. Das dafür aufgewendete Geld habe ihm seine Freundin, die noch studierte, zunächst nur als Darlehen gewährt und sich später zurückzahlen lassen. Über Konto und Vermögen des anderen hätten sie nicht verfügen können. Allein eine nahe menschliche Beziehung auf engem Raum begründe noch keinen Einstandswillen. Jeder Partnerschaft sei es zuzubilligen, zunächst zu prüfen, ob sie wirklich für einander einstehen wolle. Solange die Partner dies nicht nach außen dokumentiert hätten, sei für die Annahme einer Einstandsgemeinschaft jedenfalls bis zum Ablauf des ersten Jahres des Zusammenlebens kein Raum.

Der Träger der Grundsicherung hatte dagegen argumentiert, die Freundin des Klägers habe ihn trotz eigener beengter wirtschaftlicher Verhältnisse mit erheblichen Summen unterstützt und ihm unter anderem einen Urlaub vorfinanziert. Dies sei typisch für eine Bedarfsgemeinschaft. Zudem habe der Kläger in der Folge mit seiner Freundin weiter zusammengelebt. Das Urteil ist rechtskräftig. (LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 16. 2. 2009 – L 19 AS 70/08)

Verfassungsbeschwerde gegen Versagung von Beratungshilfe erfolgreich

Die Beschwerdeführerin beantragte beim Amtsgericht Beratungshilfe nach dem Beratungshilfegesetz (BerHG), um sich mit einem Widerspruch gegen die Kürzung von Arbeitslosengeld II zu wenden. Die Beratungshilfe wurde ihr u.a. mit der Begründung versagt, dass ein vernünftiger Ratsuchender ohne anwaltliche Hilfe Widerspruch eingelegt hätte; es sei der Beschwerdeführerin zumutbar, bei der Widerspruchsbehörde vorzusprechen und deren kostenlose Beratung in Anspruch zu nehmen, auch wenn diese mit der Ausgangsbehörde identisch sei. Der Bescheid werde im Widerspruchsverfahren von Amts wegen überprüft, ohne dass es rechtlicher Ausführungen zur Begründung bedürfe.

Die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat diesen Beschluss des Amtsgerichts auf die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin hin aufgehoben und zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen. Die Entscheidung verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Anspruch auf Rechtswahrnehmungsgleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG und Art. 20 Abs. 3 GG), wonach eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten auch im außergerichtlichen Rechtsschutz geboten ist. Vergleichsmaßstab ist das Handeln eines Bemittelten, der bei der Inanspruchnahme von Rechtsrat auch die Kosten vernünftig abwägt . Ein vernünftiger Rechtsuchender darf sich unabhängig von Begründungspflichten aktiv am Verfahren beteiligen.
Für die Frage, ob er einen Anwalt hinzuziehen würde, kommt es insbesondere darauf an, inwieweit er fremde Hilfe zur effektiven Ausübung seiner Verfahrensrechte braucht oder selbst dazu in der Lage ist. Im vorliegenden Fall benötigte die Beschwerdeführerin fremde Hilfe wegen eines rechtlichen Problems, das zum Zeitpunkt der Antragstellung noch keine höchstrichterliche Klärung erfahren hatte.

Entgegen dem Beschluss des Amtsgerichts kann es der Beschwerdeführerin nicht zugemutet werden, den Rat derselben Behörde in Anspruch zu nehmen, deren Entscheidung sie im Widerspruchsverfahren angreifen will. Auch bei einer organisatorisch getrennten und mit anderem Personal ausgestatteten
Widerspruchsstelle entscheidet dann dieselbe Ausgangs- und Widerspruchsbehörde über die Leistungen der Beschwerdeführerin. Es besteht die abstrakte Gefahr von Interessenkonflikten, die die beratungsbedürftige Beschwerdeführerin selbst nicht durchschauen kann. Aus Sicht der Rechtsuchenden ist der behördliche Rat nicht mehr dazu geeignet, ihn zur Grundlage einer selbständigen und unabhängigen Wahrnehmung ihrer Verfahrensrechte im Widerspruchsverfahren zu machen. Im Hinblick auf die prozessrechtlichen Grundsätze der Waffengleichheit und der gleichmäßigen Verteilung des Risikos am Verfahrensausgang im sich möglicherweise anschließenden Gerichtsverfahren darf der Beschwerdeführerin eine unabhängige Beratung nicht vorenthalten werden.

Auch wenn sich im Einzelfall ein objektiver Mehrwert anwaltlicher Beteiligung gegenüber behördlicher Beratung nicht empirisch voraussagen lässt, handelt es sich bei einer zusätzlichen und von außen kommenden Durchsetzungshilfe im Widerspruchsverfahren grundsätzlich um eine geeignete Maßnahme zur Effektivitätssteigerung des Verfahrens.

Dies ist insbesondere wegen des existenzsichernden Charakters des Arbeitslosengelds II von Bedeutung. Wegen der grundsätzlich zeitverzögernden Wirkung des Vorverfahrens und seiner Verbindung zum Klageverfahren ist auf eine möglichst effektive Gestaltung des Vorverfahrens zu achten.

Der fiskalische Gesichtspunkt, Kosten zu sparen, kann nach den dargestellten Gründen nicht als sachgerechter Rechtfertigungsgrund zur Versagung der Beratungshilfe angesehen werden.

Beschluss vom 11. Mai 2009 1 BvR 1517/08

ALG II – Lebensversicherung unter Umständen nicht zu verwerten

Die beim Bezug von Ar­beits­lo­sen­geld II grund­sätz­lich ge­ge­be­ne Pflicht zur Ver­wer­tung von Le­bens­ver­si­che­run­gen kann bei lang­jäh­rig Selb­stän­di­gen eine be­son­de­re Härte be­deu­ten, wie das Bun­des­so­zi­al­ge­richt jetzt ent­schied.

In der Sache hat das Bun­des­so­zi­al­ge­richt ent­schie­den, dass bei lang­jäh­rig Selb­stän­di­gen eine Pflicht zur Ver­wer­tung von Le­bens­ver­si­che­run­gen wegen Vor­lie­gens eines Här­te­falls aus­schei­den kann, wenn eine Ku­mu­la­ti­on von Um­stän­den vor­liegt. Ob dies bei der Klä­ge­rin der Fall war, konn­te der Senat al­ler­dings wegen feh­len­der Fest­stel­lun­gen des Lan­des­so­zi­al­ge­richts nicht ab­schlie­ßend ent­schei­den. Das Lan­des­so­zi­al­ge­richt hat zu Un­recht auch bei der über­wie­gend selb­stän­dig tätig ge­we­se­nen Klä­ge­rin das Vor­lie­gen eines Här­te­falls schon des­halb aus­ge­schlos­sen, weil die Klä­ge­rin nicht von der Mög­lich­keit Ge­brauch ge­macht habe, die Ver­wer­tung ihrer Le­bens­ver­si­che­rungs­ver­trä­ge vor Ein­tritt in den Ru­he­stand ver­trag­lich in der Form aus­zu­schlie­ßen, wie sie von § 12 Abs 2 Nr 3 SGB II ge­for­dert wird. Das Lan­des­so­zi­al­ge­richt ist in­so­fern in Bezug auf Hil­fe­be­dürf­ti­ge, die im Ver­lauf ihres Er­werbs­le­bens über­wie­gend nicht in der ge­setz­li­chen Ren­ten­ver­si­che­rung pflicht­ver­si­chert waren, von einem zu stren­gen, recht­lich un­zu­tref­fen­den Maß­stab aus­ge­gan­gen. Maß­ge­bend ist in­so­weit le­dig­lich, ob die Le­bens­ver­si­che­rungs­ver­trä­ge ob­jek­tiv und sub­jek­tiv zur Al­ters­vor­sor­ge zweck­be­stimmt waren.

Quelle: Medieninformation Nr. 17/09 des BSG
Az.: B 14 AS 35/08 R
Urteil vom 07. Mai 2009

Hinweis zur Rechtslage:

§ 12 SGB II

(1) Als Vermögen sind alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen.
(2) Vom Vermögen sind abzusetzen

3. geldwerte Ansprüche, die der Altersvorsorge dienen, soweit der Inhaber sie vor dem Eintritt in den Ruhestand auf Grund einer vertraglichen Vereinbarung nicht verwerten kann und der Wert der geld­werten Ansprüche 250 Euro je vollendetem Lebensjahr des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und seines Partners, höchstens jedoch jeweils den nach Satz 2 maßgebenden Höchstbetrag nicht über­steigt,

(3) Als Vermögen sind nicht zu berücksichtigen

3. vom Inhaber als für die Altersvorsorge bestimmt bezeichnete Vermögensgegenstände in an­gemessenem Umfang, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige oder sein Partner von der Ver­sicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit ist,

6. Sachen und Rechte, soweit ihre Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich ist oder für den Be­troffenen eine besondere Härte bedeuten würde.
Für die Angemessenheit sind die Lebensumstände während des Bezugs der Leistungen zur Grund­sicherung für Arbeitsuchende maßgebend.

Gericht stärkt Rechte von ALG-II-Empfängern bei Wohnkosten

Das Bundessozialgericht (BSG) hat am Donnerstag mit mehreren Urteilen die Rechte von ALG-II-Empfängern bei den Unterkunftskosten gestärkt.

Danach sind monatliche Gebühren, die ein Vermieter für die Benutzung einer Kücheneinrichtung kassiert, als Teil der Miete vom Jobcenter zu bezahlen (Az.: B 14 AS 14/08 R). Außerdem entschieden Deutschlands oberste Sozialrichter, dass Arbeitslosengeld-II-Empfänger auch dann Anspruch auf Übernahme von Wohnkosten haben, wenn sie bei Eltern oder anderen Verwandten zur Miete wohnen.

Entscheidend sei dabei nicht, dass sie einen förmlichen Mietvertrag vorlegen können, sondern dass sie tatsächlich Geld für ihren Wohnraum zahlen (Az.: B 14 AS 31/07 R).

Wenn Arbeitslose ihren «Hartz-IV»-Antrag erst im Laufe eines Monats stellen, stehen ihnen für den Rest dieses Monats anteilige Unterkunftskosten zu. Das stellte das BSG in einer dritten Entscheidung klar. Das gelte auch dann, wenn die Arbeitslosen die Miete bereits vor der Antragstellung überwiesen haben, als sie möglicherweise noch nicht hilfebedürftig waren (Az.: B 14 AS 13/08 R).

Zinsen aus Schmerzensgeld bleiben anrechnungsfrei

Schmerzensgeld wegen eines Unfallschadens und die darauf gezahlten Zinsen sind bei Empfängern von Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht als Einkommen oder Vermögen leistungsmindernd anzurechnen. Das hat das Sozialgericht Aachen in einem jetzt veröffentlichten Urteil entschieden. Das Schmerzensgeld diene dem Ausgleich immaterieller Schäden und der Genugtuung für erlittenes Unrecht, nicht der Sicherstellung des Lebensunterhalts (Urteil vom 03.02.2009, Az.: S 23 AS 2/08, nicht rechtskräftig).

Das Gericht gab den Klägern Recht, die sich dagegen wehrten, dass die zuständige ARGE ihre Zinseinkünfte von jährlich über 3.000 Euro aus der Anlage eines Schmerzensgeldbetrages von 132.500 Euro als Einkommen bewertete und die Leistungen entsprechend minderte. Das Schmerzensgeld für den Lebensunterhalt einsetzen zu müssen, stelle eine besondere Härte dar, die der Anrechnung als Vermögen nach § 12 Abs. 3 Nr. 6 SGB II

(„(3) Als Vermögen sind nicht zu berücksichtigen […] 6. Sachen und Rechte, soweit ihre Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich ist oder für den Betroffenen eine besondere Härte bedeuten würde.“)

entgegen stehe, so das Gericht weiter. Danach sei der Schutz des Schmerzensgeldes umfassend und erfasse auch die Zinseinkünfte.

Zwar seien grundsätzlich auch Zinsen aus so genannten „Schonvermögen“ von Leistungsempfängern anzurechnendes Einkommen, so das SG. Die Höhe eines als Festbetrag gezahlten Schmerzensgeldes sei im Vergleich zu einer Schmerzensgeldrente aber gerade auch dadurch bestimmt, dass der Empfänger den erhaltenen Betrag gewinnbringend anlegen könne. Der Zinsgewinn sei also Bestandteil der Kalkulation des Entschädigungsbetrages. Die Zinsen seien deshalb in gleicher Weise geschützt wie der Entschädigungsbetrag selbst.

Sozialgericht: „Abrackprämie ist kein Einkommen“

SG Magdeburg S 16 AS 907/09 ER , Beschluss vom 15.04.2009

Bei der Berechnung des Bedarfs eines Leistungsbeziehers der Grundsicherung nach dem SGB II ist die staatlich gewährte Abwrackprämie kein zu berücksichtigendes Einkommen im Sinne des SGB II .

Bei der Abwrackprämie handelt es sich um zweckgebundenes Einkommen ähnlich wie bei der staatlichen Eigenheimzulage .
Damit wird mein Kommentar vom 27.02. bekräftigt, den ich hier gerne nochmal zitiere:

Für einen weiteren Argumentationsansatz zitiere ich mal aus den Durchführungshinweisen für die ArGe:

4.2 Einmalige Einnahmen
(1) Einmalige Einnahmen sind z.B. Steuererstattung, Lohnnachzahlung,
Eigenheimzulage, Glücksspielgewinne, Gratifikationen, aber auch
Weihnachts- und Urlaubsgeld. Sie sind vom Beginn des Monats an zu
berücksichtigen, in dem sie zufließen und sollen für einen
angemessenen Zeitraum berücksichtigt werden.”

Wie wir wissen muss es Ausnahmen geben, denn die Eigenheimzulage wird
ja eben nicht angerechnet.

“(6) In begründeten Einzelfällen kann von dieser Vorschrift abgewichen
werden, wenn die Berücksichtigung als Einkommen eine besondere Härte
für den Hilfebedürftigen bedeuten würde. Eine besondere Härte kann
z.B. vorliegen, wenn […]
der Sinn und Zweck der Leistung einer Berücksichtigung als Einkommen
entgegen steht“

Aha! Das sollte den Herrschaften aus Sozialministerium und Regierung
doch eigentlich bekannt sein.
Dafür muss man nicht mal Jurist sein

Warum wracken äh wehren die sich nur gegen normalen Menschenverstand?

ALG-II-Empfänger sollten jetzt beachten

Tipps vom Rechtsexperten Wolfgang Büser:
Worauf ALG-II-Empfänger jetzt unbedingt achten müssen

Mehr als 100 Mal hat das Bundessozialgericht, höchste Instanz auch in Sachen Hartz IV, bereits zum Arbeitslosengeld II (ALG II) zu entscheiden gehabt. Hier die neun aktuellsten Urteile, zusammengestellt vom bekannten Rechtsexperten Wolfgang Büser.

Mehrbedarfszuschlag: Wechseln sich – getrennt lebende – Eltern in der Betreuung ihres gemeinsamen Kindes wochenweise ab, so steht der ALG II beziehenden Mutter der halbe Mehrbedarfszuschlag (hier: 63 Euro monatlich) zu. Die Agentur für Arbeit kann nicht argumentieren, sie dürfe nichts zahlen, da es einen „halben Mehrbedarf“ nicht gäbe (Az.: B 4 AS 50/07 R).

Krankengeld: Wird einem ALG-II-Bezieher von seiner Krankenkasse im April Krankengeld für den Monat März nachgezahlt, so zählt es im April als Einkommen. Die Folge: Das ALG II entfällt in entsprechendem Umfang (Az.: B 4 AS 70/07 R). Tipp: Bei der Krankenkasse darauf drängen, dass in solchen Fällen das Krankengeld früher angewiesen wird.

Erbschaft: Erbt eine Bezieherin von ALG II zusammen mit ihrer Schwester ein Haus, so darf die Arbeitsagentur die weiteren Zahlungen nicht als Darlehen gewähren, um gegebenenfalls aus dem späteren Hausverkauf die Erstattung beantragen zu können. Sie muss prüfen, ob das Anwesen überhaupt verkauft werden kann, weil es ja zur Hälfte auch der Schwester gehört (Az.: B 14 AS 52/07 R).

Kabelfernsehen: Gehört ein Kabelanschluss zur Mietwohnung, so muss die Arbeitsagentur die Kosten dafür (als Betriebs-Nebenkosten, die der Vermieter abrechnet) übernehmen. Verfügt das Haus jedoch über eine Gemeinschaftsantenne, so hat ein Hartz-IV-Bezieher keinen Anspruch darauf, zusätzlich den Aufwand für einen Kabelanschluss finanziert zu bekommen (Az.: B 4 AS 48/08 R).

Abfindung: Auch wenn ein Arbeitgeber eine Abfindung erst Monate nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis zahlt, zählt es in diesem Zeitpunkt als Einkommen – und ist auf das ALG II anzurechnen (Az.: B 4 AS 47/08 R). Tipp: Auf schnellere Auszahlung drängen – geht das Geld vor Beginn der Arbeitslosigkeit ein, so zählt es als „Vermögen“, und dafür zählen Freibeträge.

Renovierung: Zieht eine arbeitslose Frau, die AlG II bezieht, auf Anraten der Arbeitsagentur in eine preiswertere Wohnung um, so sind ihr die Kosten zu erstatten, die sie für die Renovierung aufgewandt hat (Az.: B 4 AS 49/07 R).

Ehegatteneinkommen: Arbeitslose Hartz-IV-Bezieher müssen es hinnehmen, dass auf ihren ALG-II-Anspruch das Einkommen des Ehepartners angerechnet wird. Wäre es anders, so das Bundessozialgericht, dann könnte eine arbeitslose Frau, die mit einem hoch verdienenden Mann verheiratet ist, durch ALG II aus Steuermitteln zu finanzieren sein (Az.: B 14/7b AS 14/07 R).

1-Euro-Job: Auch Arbeitslose, die bisher hoch bezahlte Jobs ausgeübt haben, müssen es hinnehmen, in 1-Euro-Jobs vermittelt zu werden. Hier ging es um einen Ingenieur, der für 1,30 Euro die Stunde „gemeinnützig tätig“ war und argumentierte, für die Arbeitsuche kaum noch Zeit zu haben. Denn er war für 30 Wochenstunden eingeteilt. Das „Maß des Zulässigen“ sei damit nicht überschritten worden, so das Bundessozialgericht (Az.: B 4 AS 60/07 R).

Klassenfahrt: Die Agenturen für Arbeit haben arbeitslosen Eltern, deren Kinder an Klassenfahrten teilnehmen, auch die Kosten für eine 2-Tages-Tour zu ersetzen. Höchstbeträge dürfen dafür nicht vorgesehen sein (Az.: B 14 AS 36/07 R).

Quelle: Berliner Kurier

Kürzung nur nach Abmahnung

Einem Bezieher von ALG II kann die Leistung um 30% gekürzt werden, wenn er sich weigert, die festgelegten Pflichten bei einer Wiedereingliederungsmaßnahme einzuhalten. Ein 54-jähriger Fortbildungsteilnehmer musste das schmerzlich erfahren. Er hatte sich gegenüber einem privaten Bildungsträger angeblich anmaßend und unhöflich geäußert, woraufhin dieser ihn von der Fortbildung ausschloss und vor die Tür setzte. Die zuständige ARGE erfuhr natürlich davon und kürzte ihm das Arbeitslosengeld II für 3 Monate um 30%.

Da der Mann dies ungerecht fand, zog er vor Gericht. Er trug vor, die ARGE hätte ihm zumindest eine Abmahnung schicken müssen um ihn auf die Folgen seines Verhaltens hinzuweisen. Er sagte weiter, es sei ihm nicht klar gewesen, dass eine – nach seiner Meinung absolut berechtigte – Kritik solche Folgen mit sich bringen würde. Das Gericht gab der Klage des Arbeitslosen statt.

ARAG-Experten bemerken dazu, dass eine Abmahnung nur dann entbehrlich ist, wenn der Fortbildungsteilnehmer sich in unglaublich schwerer Weise daneben benommen hätte, wie etwa durch schwere Beleidigungen. In diesem Fall hatte der Mann jedoch lediglich bemerkt, dass er noch nie so viel Inkompetenz erlebt habe, was nach Auffassung des Gerichts und der ARAG-Experten nicht einer schweren verbalen Entgleisung gleichzusetzen ist.

BAV Beiträge – ALG II nicht anrechenbar

Ein Paar hatte bei der zuständigen Arbeitsgemeinschaft (ARGE) von Kommune und Arbeitsagentur Arbeitslosengeld II beantragt.

Der Antrag wurde allerdings abgelehnt mit der Begründung, dass die Klägerin ein versicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis habe und das Einkommen daraus ist für das Paar ausreichend. Bei dieser Begründung hat die ARGE aber die Beiträge, des Arbeitgebers der Frau, an eine BAV Pensionskasse mit eingerechnet. Deshalb hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.

Das Landessozialgericht als nächst höhere Instanz hat dieses Urteil nicht so gesehen. Wegen des Verzichts auf Gehalt, das zugunsten einer Rentenversicherung in eine Pensionskasse einbezahlt wird, kann die Frau für die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses nicht mehr die Auszahlung dieser Beiträge verlangen.

Durch die rechtliche Grundlage für die betriebliche Altersversorgung kann die Frau auch nicht mehr vorzeitig auf das Geld zugreifen. Laut dem Landessozialgericht dienen diese Beiträge dem Aufbau einer zusätzlichen Altersversorgung mit staatlicher Förderung und damit sind diese als zweckgebundene Einkünfte von einer Berücksichtigung ausgeschlossen.

Damit mindern sie laut dem Landessozialgericht nicht die Hilfsbedürftigkeit eines Empfängers von ALG II (Az. L 3 AS 118/07).

Konto-Auszüge auch ohne Verdacht

Der 4. Senat des Bundessozialgerichts hat am 19.02.09 die Revision einer Klägerin zurückgewiesen. Das LSG hätte zu Recht entschieden, dass die Klägerin auch ohne konkrete Verdachtsmomente auf missbräuchlichen Leistungsbezug bei jeder Beantragung von Leistungen nach dem SGB II – also auch bei Folgeanträgen auf Weitergewährung von Leistungen – verpflichtet sei, sämtliche Kontoauszüge der jeweils vergangenen drei Monate vorzulegen.

Das Recht der Beklagten, sich bei jedem erneuten Leistungsantrag Kontoauszüge vorlegen zu lassen, ist die Kehrseite der Mitwirkungsobliegenheiten, die Empfängern von Sozialleistungen ganz allgemein und auch Hilfeempfänger treffen. Der Senat schließt sich hierbei der Rechtsauffassung des 14. Senats vom 19.9.2008 – B 14 AS 45/07 R – an. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin ist nicht erkennbar, dass sich der Grundsicherungsträger die von der Klägerin gewünschten Informationen auf leichtere Weise beschaffen könnte. Zwar ermöglicht § 93 Abs 8 AO in der ab 18.8.2007 geltenden Fassung iVm § 24c KWG dem Grundsicherungsträger über das Bundeszentralamt für Steuern unter bestimmten Voraussetzungen einen Zugriff auf die sog Kontostammdaten. Dies kann die Vorlage der Kontoauszüge jedoch nicht vollständig ersetzen. Denn der Grundsicherungsträger wird damit lediglich in die Lage versetzt die Existenz von Konten und Depots und die Verknüpfung mit dem Inhaber, Verfügungsberechtigten oder wirtschaftlich Berechtigten festzustellen. Zugriff auf Inhalte der Konten, wie etwa Kontostand oder Kontenbewegungen sind dadurch aber nicht möglich. Die Obliegenheit zur Vorlage der Kontoauszüge führt entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht dazu, dass sie nunmehr den Beweis negativer Tatsachen erbringen müsste. Es verbleibt bei der Amtsermittlungspflicht des Grundsicherungsträgers. Allerdings trägt, wer Alg II beantragt, die Folgen einer objektiven Beweislosigkeit, wenn sich nach Ausschöpfung der verfügbaren Beweismittel die Bedürftigkeit des Antragstellers nicht feststellen lässt. Weigert sich der Hilfeempfänger im Rahmen der ihn treffenden Obliegenheit Kontoauszüge vorzulegen, geht dies materiell-rechtlich zu seinen Lasten, wenn das Vorliegen seiner Bedürftigkeit und damit seine Leistungsberechtigung nicht feststeht.

SG Karlsruhe – S 7 AS 3192/07 –
LSG Baden-Württemberg – L 13 AS 4282/07 – – B 4 AS 10/08 R –

Der 4. Senat des Bundessozialgerichts berichtet über die Ergebnisse seiner Sitzung vom 19. Februar 2009:

Geld für langsame

Stellen Hartz-IV-Empfänger den Antrag auf Weiterbewilligung der Leistung verspätet, muss die zuständige Behörde das Arbeitslosengeld II (ALG II) nahtlos weiterzahlen. Zwar gebe es Sozialleistungen grundsätzlich nicht rückwirkend, jedoch verliere ein einmal gestellter Antrag auf ALG II nicht allein deswegen seine Wirkung, weil der erste Bewilligungszeitraum abgelaufen sei, entschied das Sozialgericht Stuttgart (Bescheid vom 20. Mai 2008, AZ: S 22 AS 6397/07).

Wohnungsgröße bei Hartz IV-Anspruch nicht entscheidend

ALG-II-Empfänger haben Anspruch auf eine angemessene Wohnung. Ob eine Wohnung angemessen ist, hängt von der Höhe der Miete ab und nicht von der Größe der Wohnung. Das hat das Sozialgericht Reutlingen am 17.03.2008 entschieden Az.: 12 AS 3489 / 06 (nicht rechtskräftig) – und damit einer Hartz IV-Empfängerin zum größten Teil Recht gegeben. Die Frau lebte allein in einer Sechszimmerwohnung – für 350 Euro Miete plus 29 Euro Nebenkosten. 130 qm Wohnraum hielt die zuständige Behörde für unangemessen und forderte die Frau zum Umzug auf. Angemessen sei eine 45 qm große Wohnung, die nicht mehr als 325 Euro kalt kosten dürfe. Die Richter entschieden: Die Behörde darf für ihre Entscheidung nur die Kosten, und nicht die übrigen Merkmale einer Wohnung berücksichtigen. Das heißt konkret: Die Frau hat Anspruch auf 325 Euro Kaltmiete. Die restlichen 25 Euro muss sie allerdings selbst tragen.

Urteil als PDF

Regelleistungskürzung bei Klinikaufenthalt war, ist und bleibt unzulässig!

Dagegen setzte das BM Arbeit und Soziales zwar zum 01.01.08 eine geänderte ALG2-Verordnung in Kraft. Demnach soll erhaltene Verpflegung z. B. in Krankenhäusern oberhalb der Grenze, die für die Zuzahlungen für den Bereich der gesetzlichen Krankenkasse maßgebend ist, als Einkommen beim ALG 2 in Abzug gebracht werden.

Hiergegen wenden sich aber bereits verschiedene Sozialgerichte in ihren Urteilen. Die Gerichte führen vor allem an, dass die Verordnungsermächtigung nicht die Umdeutung des Einkommensbegriffs beinhaltet, so dass der Sachverhalt auch nach Inkrafttreten der neuen Verordnung in dem Sinne unverändert ist, dass die erhaltene Verpflegung weiterhin nicht als Einkommen zu werten ist!(LSG Niedersachsen-Bremen vom 25.02.2008 L 9 AS 839/07 ER, SG Berlin vom 29.11.07 – S 116 AS 21638/07 und vom 24.01.08 – S 116 AS 17528/07; LSG NRW vom 3.12.07 – L 20 AS 2/07).

Ein Widerspruch bzw. die Klage gegen die Anrechnung von Verpflegung bei Krankenhaus- oder Rehaaufenthalten ist somit auch nach dem Inkrafttreten der neuen ALG 2- Verordnung sinnvoll.

Hartz IV: Geld von den Eltern nicht unbedingt anzurechnen

Eigentlich sollte das Landessozialgericht NRW nur darüber urteilen, ob dem Kläger Prozesskostenhilfe zugestanden werden muss oder nicht, aber in seinem rechtskräftigen Urteil (L 7 B 240/07 AS  ) vom 03.03.2008 legte es dar, warum die Klage Aussicht auf Erfolg habe. Als Vorbemerkung sei gesagt, dass der Kläger von seinen Eltern 2000 Euro auf sein Konto überwiesen bekam und die ARGE ihm daraufhin Leistungen strich.

Die Begründung des Gerichts lautet:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die 2.000 Euro, die die Eltern des Klägers an diesen im März 2006 gezahlt haben, als Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zu berücksichtigen sind. Diese Frage bedarf der weiteren Sachverhaltsklärung.

aa) Bevor zu klären ist, ob diese Geldzuwendung eine „zweckbestimmte Einnahme“ (§ 11 Abs. 3 Nr. 1 a SGB II) darstellt, ist die Frage zu klären, ob diese Geldzuwendung überhaupt „Einkommen“ im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II ist. Das SG wird insoweit aufzuklären haben, ob die Eltern des Klägers diesem die 2.000 Euro als Schenkung oder aber als Darlehen zugewendet haben. Denn während Schenkungen als einmalige Einnahmen aufgrund der mit ihnen verbundenen Wertsteigerung bereits vorhandenen Vermögens als Einkommen zu betrachten sein dürften (Mecke in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2005, § 11 Rdnr. 26 m.w.N. zur Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Arbeitslosenhilfe), sind Mittel aus einem Darlehen je nach Ausgestaltung der Rückzahlungspflicht möglicherweise kein Einkommen, weil sie angesichts der Rückzahlungsverpflichtung die Vermögenssituation des Hilfebedürftigen unter Umständen nicht verändern (vgl. Mecke a.a.O., Rdnr. 27 m.w.N. zur Rechtsprechung des BSG zur Arbeitslosenhilfe). Als Indizien bei dieser vorzunehmenden Abgrenzung wird das SG insbesondere berücksichtigen können, in welchem (zeitlichen) Kontext die Geldzuwendung der Eltern des Klägers erfolgte, ferner, ob die Eltern dem Kläger in der Vergangenheit bereits (vergleichbare) Geldzuwendungen zukommen ließen, und des Weiteren, ob der Kläger einer etwaigen Rückzahlungsverpflichtung gegenüber seinen Eltern auch tatsächlich nachgekommen ist. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 31.08.2007 hierzu eine Beweiserhebung durch Vernehmung seiner Eltern als Zeugen angeboten bzw. angeregt.

bb) Sofern sich nach der weiteren Sachverhaltsaufklärung herausstellen sollte, dass die Geldzuwendung der Eltern an den Kläger als Einkommen zu berücksichtigen ist, wird das SG die weitere Frage zu klären haben, ob es sich insoweit um eine nicht als Einkommen zu berücksichtigende „zweckbestimmte Einnahme“ im Sinne des § 11 Abs. 3 Nr. 1 a SGB II handelte.

Hartz IV:Einreichung des Folgeantrages muss bewiesen werden

Am 13.02.2008 hat das Landessozialgericht NRW beschlossen (L 20 B 236/07 AS), dass eine eidesstattliche Versicherung nicht ausreicht, um nachzuweisen, dass ein Folgeantrag auf Leistungen nach dem SGB II rechtlich wirksam gestellt wurde. Im vorliegenden Fall klagte ein Antragssteller, der bisher Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende erhalten hatte auf die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II.

Den von der beklagten Behörde eingebrachten Einwand, dass der Folgeantrag nicht eingegangen sei, wollte der Kläger mittels einer eidesstattlichen Erklärung entgegenwirken, dass er den Antrag abgesendet habe.  Außerdem bemängelte der Kläger, dass der bewilligte Leistungszeitraum von 6 Monaten nicht voll ausgeschöpft wurde und somit eigentlich noch gar kein Folgeantrag notwendig sei.

Das Gericht befand die eidesstattlich Erklärung für nicht ausreichend und bemängelte zusätzlich, dass der Kläger seinen Antrag nicht sofort nachgereicht habe. Zum Bewilligungszeitraum von 6 Monate äußerte sich das Gericht ebenfalls zu Gunsten der beklagten Behörde, da die Vorschrift als Sollvorschrift zu verstehen sei und in diesem Fall gute Gründe vorlagen, die das Verhalten der Behörde rechtfertigten.

Das Urteil im Wortlaut als PDF

Hartz IV: Anspruch auf Erstattung von krankheitsbedingtem Sonderbedarf

Das Landesozialgericht NRW hat in einem Urteil vom 21.12.2007 beschlossen, dass Hartz IV-Empfänger grundsätzlich das Recht auf Erstattung der Kosten für einen krankheitsbedingten Grundbedarf haben (L 19 B 134/07 AS ER). Im vorliegenden Fall hatte ein Hartz IV-Empfänger darauf geklagt, dass ihm die Kosten für ein chronisches Hautleiden extra erstattet werden sollen. Die zuständige Behörde lehnte dies mit der Begründung ab, dass die monatlichen Kosten von 34 Euro auch aus dem Grundbedarf bezahlt werden könnten.

Das Landessozialgericht sah das Hautleiden zunächst als erwiesen an und stellte dann fest, dann diese Behandlungskosten nicht von der Krankenversicherung gedeckt würden und somit durchaus einen Sonderbedarf begründen könnten. Wie darauf zu reagieren sei, ließ das Gericht jedoch offen, denn es gibt einerseits die Möglichkeit, dass für solche Bedarfe ein Darlehen nach § 23 Abs. 1 SGB II gewährt wird und andererseits den Anspruch auf Leistungen in sonstigen Lebenslagen nach § 73 Satz 1 SGB XII.

Der normale Weg sei sicherlich das Darlehen, jedoch sei zu prüfen, ob aufgrund der chronischen Eigenschaft des Hautleidens und der damit verbundenen regelmäßigen Kosten nicht doch die Lösung nach § 73 Satz 1 SGB XII in Frage käme. Abgelehnt hat das Landesozialgericht auf jeden Fall die Ansicht der beklagten Behörde, dass die Kosten aus dem Grundbedarf zu tragen seien, denn dies sei definitiv unzumutbar.

Urteil im Wortlaut als PDF