Abwrackprämie für ALG-II-Bezieher – Gefühlte Ungerechtigkeit

Lausitzer Rundschau: Zur Abwrackprämie für ALG-II-Bezieher*  – Gefühlte Ungerechtigkeit
Cottbus (ots) – Nur die wenigsten ALG-II-Bezieher* haben genug Schonvermögen für einen Autokauf, und noch weniger haben zugleich auch eine alte Karre, die sie jetzt verschrotten könnten, um die Abwrackprämie zu kassieren. Der Ausschluss dieses Personenkreises von dem staatlichen Pkw-Kaufzuschuss ist also weniger ein reales als vielmehr ein gefühltes Problem.
Als solches aber ein gewaltiges. Der Staat will, dass die Bänder wieder laufen. Ihm kann es völlig egal sein, wer die Autos erwirbt. Aber ausgerechnet die Ärmsten der Armen werden gezielt von dieser Konjunkturspritze ausgenommen. Das kommt bei den Betroffenen als pure Böswilligkeit an. Sie fühlen sich einmal mehr als Parias, als die unterste Schicht einer Kastengesellschaft, mit der man macht, was man will, nachdem man schon über sie redet, wie man will – siehe Junge-Unions-Chef Philipp Mißfelder, der die anstehende Erhöhung der Sätze für Hartz-IV-Kinder als Konjunkturprogramm für die Alkohol- und Zigarettenindustrie bezeichnete.
Politisch steht mit Arbeitsminister Olaf Scholz ein Sozialdemokrat für dieses Debakel gerade, das fatal an die zunächst unterschiedlich hohen Hartz-IV-Sätze in Ost und West erinnert. Auf die Härte des Schicksals setzt man noch die Härte bürokratischer Gesetzesinterpretationen oben drauf. Vor allem im Osten macht das
Stimmung.
Scholz kann sich nicht damit herausreden, dass die Gesetzeslage so sei, wie sie ist. Dann hätte er Jurist bleiben sollen. Politik wird mit Herz und Verstand, zur Not auch mit Gesetzesänderungen gemacht.

Originaltext: Lausitzer Rundschau 26.02.09

Berlin (ots) – „Sollte das Arbeitsministerium allein nicht in der Lage sein, hier eine Korrektur herbeizuführen, muss der Bundestag in der nächsten Sitzungswoche aktiv werden und eine Entscheidung zugunsten der ALG-II-Bezieher* treffen„, erklärt Gesine Lötzsch, stellvertretende Vorsitzende und haushaltspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, zu den Überlegungen des Bundesarbeitsministeriums, auch ALG-II-Bezieher* die Abwrackprämie zu zahlen. „DIE LINKE wird einen entsprechenden Antrag in den Bundestag einbringen.

Lötzsch weiter: „Immer wieder wurde die Abwrackprämie als Erfolgsmodell gepriesen. Nun hat die Fraktion DIE LINKE aufgedeckt, dass ALG-II-Bezieher* von der Prämie ausgeschlossen werden sollen. Dies stieß in der Öffentlichkeit auf Unverständnis und Empörung.
Empfänger von ALG II** sind durch die niedrigen Regelsätze von vielen Bereichen des Lebens ausgeschlossen. Andererseits werden an sie hohe Anforderungen gestellt. Sie sollen vor allem mobil sein. Darum fordere ich die Bundesregierung auf, die ALG-II-Empfänger* nicht länger von der Abwrackprämie auszuschließen. Alles andere wäre nicht nur zynisch, sondern vor allem auch lebensfremd
.“

Berlin (hpf) – SPD-Vize Andrea Nahles hat sich zu einer Abwrackprämie auch für ALG-II-Empfänger* bekannt. Nahles sagte der Bild , sie habe nicht den geringsten Zweifel, dass die SPD- Bundestagsfraktion eine Nichtanrechnung der Abwrackprämie für ALG-II-Empfänger* unterstützen werde.

Düsseldorf (ots) – In der CDU/CSU mehren sich Stimmen für eine mögliche Nutzung der staatlichen Abwrackprämie auch durch Langzeitarbeitslose. „Ich habe keine Einwände gegen die dazu laufende Prüfung durch das Bundesarbeitsministerium„, sagte der arbeitsmarktpolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Ralf Brauksiepe (CDU), der „Rheinischen Post“ (Freitagausgabe). „Wenn das Ergebnis sein sollte, dass im Rahmen der geltenden Gesetze die Abwrackprämie auch an ALG-II-Empfänger* zu zahlen ist, respektiere ich das.
Allerdings gebe es „keinen Anlass, bestehende Gesetze zu ändern„, fügte der Arbeitsmarktexperte der Union im Bundestag hinzu.

*im Beitrag wurden die Begriffe „Hartz-IV-Empfänger“ oder „Hartz-IV-Bezieher“ durchweg, auch in wörtlichen Zitaten durch die Begriffe „ALG-II-Empfänger“ oder „ALG-II-Bezieher“ ersetzt.

5 Antworten to “Abwrackprämie für ALG-II-Bezieher – Gefühlte Ungerechtigkeit”

  1. GMLS Says:

    Hallo, ich fühle mich total verarscht. Habe mich im Oktober 08 selbständig gemacht und benötige als mobiler Friseur ein Auto. Mein jetziges ist nicht mehr reperabel und TÜV und AU läuft jetzt aus. Und nun kann ich nicht einmal diese Abwrack Prämie in Anspruch, weil ich noch Hartz 4 bekomme. Also heißt es für mich entweder Selbständigkeit aufgeben oder darauf ankommen lassen das ich keine Hilfe mehr bekomme. Und am Hunger sterbe und meine Miete nicht mal mehr bezahlen kann und aus der Wohnung fliege.
    Zuletzt: Bis die Regierung da was ändert, gibt es für uns ALG 2 Empfängern eh keine Prämie mehr!!!!!

  2. somluswelt Says:

    Ich will ja niemandem zu nahe treten aber wieso kommunizieren selbst Leute von der Linken mittel Pressemitteilungen? Und sprechen damit in der dritten Form von sich selbst. Sehr nervig und, für mich am Thema vorbei. Frau Kipping, wieso prüft nicht mal irgendeiner ihrer Juristen, ob das, was die Bundesregierung da so von sich gibt, überhaupt zutreffend ist? Wie wäre es mit ein paar „bürgernahen“ persönlich formulierten Worten.

    Aber nein, statt die Kommentare zu lesen und darauf zu reagiere, einfach schnell eine Pressemitteilung reinreichen. Blogs leben von der Diskussion, sie sind, nach meinem Empfinden kein Presseverteiler außer der Owner will es so.

  3. Katja Kipping Says:

    Abwrackprämie bei Hartz IV-Bezug – Bundesregierung muss wieder einmal zum Jagen getragen werden

    Berlin (ots) – „Die Bundesregierung könnte schnell und mit vergleichsweise wenig Aufwand dafür sorgen, dass die so genannte Abwrackprämie künftig auch an Langzeitarbeitslose ausgezahlt und nicht mehr wie bisher auf das Arbeitslosengeld II angerechnet wird. Offenbar muss sie aber wieder einmal zum Jagen getragen werden„, kritisiert Katja Kipping die koalitionsinterne Diskussion um die Auszahlung der Prämie an ALG-II-Bezieherinnen* und -Bezieher. Die sozialpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE erklärt weiter:

    Immerhin ist Union und SPD die ganze Geschichte sichtlich peinlich. Das zeigt die Hektik, die in der großen Koalition ausgebrochen ist, nachdem DIE LINKE den Skandal aufgedeckt hat. Umso unverständlicher ist es, dass die Bundesregierung hier nicht sofort Abhilfe schafft, sondern zögert und zaudert und die Frage erst noch umständlich prüfen will. Das legt den Verdacht nahe, dass es sich bei der Anrechnung der Prämie auf das Arbeitslosengeld II eben nicht um ein Versehen handelt.

    Aus meiner Sicht ist die Sache klar und bedarf keiner weiteren Prüfung: Es ist ein Gebot der sozialen Gerechtigkeit, die Abwrackprämie auch an Bezieherinnen und Bezieher von ALG II* auszuzahlen. Und da die Prämie befristet ist, darf die Bundesregierung nicht noch mehr Zeit verstreichen lassen, sondern muss umgehend handeln. Die Abgeordneten der Koalitionsfraktionen, die das genauso sehen, sind aufgefordert, dem Antrag der LINKE zuzustimmen, den wir in der kommenden Sitzungswoche in den Bundestag einbringen werden.“

    *= siehe Artikel oben

  4. cers Says:

    Liebe Somluswelt,
    ich teile Deine Einschätzung, wenn auch ich kein Jurist bin.
    Ein Auto darf man bis zu einem bestimmten Wert besitzen. Wenn ich dieses verkaufe, ist dann der Erlös als Einkommen anzurechnen? Im Fall der Abwrackprämie erhält man den Verkaufs-Erlös (nichts anderes stellt die Abwrackprämie dar) jedoch nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen und dann auch nur zweckbestimmt. Darüber hinaus ist dieser Zweck nicht im allgemeinen Regelsatz enthalten!

    Für einen weiteren Argumentationsansatz zitiere ich mal aus den Durchführungshinweisen für die ArGe:

    „4.2 Einmalige Einnahmen
    (1) Einmalige Einnahmen sind z.B. Steuererstattung, Lohnnachzahlung, Eigenheimzulage, Glücksspielgewinne, Gratifikationen, aber auch Weihnachts- und Urlaubsgeld. Sie sind vom Beginn des Monats an zu berücksichtigen, in dem sie zufließen und sollen für einen angemessenen Zeitraum berücksichtigt werden.“

    Wie wir wissen muss es Ausnahmen geben, denn die Eigenheimzulage wird ja eben nicht angerechnet.

    „(6) In begründeten Einzelfällen kann von dieser Vorschrift abgewichen werden, wenn die Berücksichtigung als Einkommen eine besondere Härte für den Hilfebedürftigen bedeuten würde. Eine besondere Härte kann z.B. vorliegen, wenn […]
    der Sinn und Zweck der Leistung einer Berücksichtigung als Einkommen entgegen steht

    Aha! Das sollte den Herrschaften aus Sozialministerium und Regierung doch eigentlich bekannt sein.
    Dafür muss man nicht mal Jurist sein 😉

  5. somluswelt Says:

    Genaugenommen, wenn ich es recht überlege, kann die „Abwrackprämie“ überhaupt nicht als Einkommen im Sinne des SGB II gewertet werde, denn es ist kein freiferfügbares Einkommen. Wenn Darlehen kein Einkommen darstellen, müsste es mit der „Abwrackprämie“ ähnlich sein.

    Ich bin keine Jurist und das sind nur Überlegungen von mir aber ich könnte mir vorstellen, dass der Gesetzgeber sich da gewaltig irrt.


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