Michael Sommer und der heiße Herbst

Und wieder wird uns ein „heißer Herbst“ angekündigt. In einem Interview mit dem Hamburger Abendblatt vom 30.08.2010 spricht DGB-Chef Michael Sommer von „Demonstrationen“ und „Veranstaltungen“ und droht damit, den Unmut über die „Schieflage“ dieses Landes „mit allen legalen Mitteln hörbar zu machen“.

Wieder werden uns Busreisen – im Oktober nach Hannover, Stuttgart, Nürnberg und Kiel – angeboten. Latschdemos, große Bühnen und darauf Kabarett vom Feinsten. Es wird geschrien werden und Kampflieder mehrstimmig hübsch gesäuselt. Man wird mit den Fingern auf die schwarz-gelbe Regierung zeigen und sie wiederum hilflos und mahnend zugleich gen Himmel richten. Die Fäuste werden womöglich geballt, aber in den Hosentaschen verbleiben.

Das kommt derart superorganisiert daher, dass sich schon weit im Vorfeld das Störpotential sowohl im verkehrstechnischen als auch im politischen Sinn recht gut berechnen lassen wird. Im September sollen die „Demonstrationen und Veranstaltungen“ beginnen, ab Ende Oktober dann drei Aktionswochen folgen. Hat man hier vorsorglich den Oktober-Beginn ausgelassen, um die Chance erst gar nicht zu zulassen, am 3. Oktober dieses Land und seine Schieflage mental zu hinterfragen?

Das würde passen, denn die Zentralgewerkschaften gerieren sich viel zu oft als Mittler zwischen Arbeitnehmer-, aber eben auch Arbeitgeberinteressen. Und sie sind geradezu hörig den Dogmen von Wirtschaftswachstum und Standortfaktoren gegenüber. Zudem sind diese Gewerkschaften als ein Apparat strukturiert, der nur noch symbolische Streiks per Fernbedienung steuert und auf dem politischen Parkett den großen Stellvertreter mimt.

Den Kontakt zur Basis und zur Realität verloren?

Nachdem diese Gewerkschaften gemeinsam mit Rot-Grün Hartz IV auf die Menschen losließen, warfen sie nicht nur die Thematik ‚Erwerbslosigkeit‘ über Bord, sondern überließen sie auch bis zu neun Mio. Hartz IV-Betroffene quasi sich selbst. Das spiegelt sich auch in den Mitgliederzahlen des DGB wider. Waren es vor 20 Jahren noch 12 Mio., sind es heute gerade einmal sechs Mio. Und Michael Sommer erkennt den Umstand an, dass der Mitgliederschwund mit Arbeitslosigkeit zusammenhängt. Menschen, die Hoffnungen im Allgemeinen und Vertrauen in die Gewerkschaften im Speziellen verloren haben. Hier wurde mit jener Schere im politischen Kalkül ein Band zerschnitten, die eben nicht nur Reich und Arm oder Oben und Unten trennt, sondern auch nebeneinander stehende Menschen. Durch die damit einhergehende Individualisierung der sozialen Auseinandersetzungen, die sich in Deutschland durch das faktische Generalstreikverbot auch nicht miteinander oder z.B. mit Arbeitskämpfen vernetzen lassen, scheint dieser Kapitalismus krisenfest.

Bei den Erwerbslosen ist dem DGB die sogenannte Basis schlichtweg weggebrochen und solange man zulässt, dass erwerbslose 1-Euro-Jobber, Bürger- oder Leiharbeiter und angestellte Lohnarbeiter gegeneinander ausgespielt werden, wird an Solidarisierung der Betroffenen nicht zu denken sein. Solange Hartz IV, als disziplinierende Drohkulisse und Instrument der Lohnpolitik, nicht mitgedacht und allumfassend solidarisch bekämft wird, ist jede Forderung nur eine halbe oder weniger davon.

Die große Depression?

Jüngsten Umfragen zufolge, stellen neun von 10 Menschen in Deutschland den Kapitalismus in Frage. Da müssen Gewerkschafter dabei sein, aber die Gewerkschaftspolitik tut dies nicht! Sie möchte einfach ein paar Prozente mehr Gewinnbeteiligung.

Und dafür wird man sich im „heißen Herbst“ und alle Jahre wieder die Füße platt latschen. 2010, 2011, 2012 …