Alles kriselt nach Plan

Roland Koch ist weg, Rüttgers ist weg, Köhler ist weg, Westerwelle … ups, der ist ja noch da. Die Koalition reibt sich auf zwischen personellen, programmatischen und nicht zuletzt finanziellen Querelen und immer weniger Menschen glauben daran, dass die bis zur Sommerpause auch nur irgendwas noch gebacken kriegen. Jetzt, wo der Kapitalismus quasi über sich selbst gestolpert ist, geraten auch die bürgerlichen Parteien in die Identitätskrise und gehörig ins Taumeln. Ihr steht nicht in der Krise, ihr seid die Krise!

Der hessische Chef einer zur Zeit 3- bis 7-Prozentpartei namens FDP, Jörg-Uwe Hahn, mahnt die Kanzlerin ab, sollte sie am „Joker“ einer großen Koalition festhalten. Wenn Hahn es uns nicht gesagt hätte, wir hätten diese Debatte womöglich gar nicht wahr genommen. Der ARD-Sendung ‚Bericht aus Berlin‘ sagte Hahn: „Sie muss jetzt entscheiden, ob sie von dem Joker Abstand nimmt und ernsthaft diese Regierung führen will. Wenn sie es nicht macht, habe ich das Gefühl, dass die Berliner Koalition in der Endkurve ist.“ (In NRW war die Arroganz doch ähnlich in Bezug auf den ‚Linke.‘-Joker … und jetzt verhandelt man über die Ampel.) Soweit so gut, alles verläuft nach Plan.

Aber eben auch das Krisenmanagement wird bekanntlich von den Verursachen (inkl. Makler und Spekulanten) höchst selbst gemanagt und somit geplant. Die FDP ist eng verbunden mit jenen „Freiheiten“ des sogenannten ‚Markts‘, der’s letztlich immer selber richten würde, und somit auch eng verbunden mit der Krise. Dem entsprechend spart man sich während der Sparklausur der Koalition als allererstes mal die sogenannte Reform der Finanzaufsicht, die Wirtschaftskrisen durch Spekulationen zukünftig verhindern sollte.

Und so stiehlt man sich auch bequem aus der Verantwortung, sofern nicht Politiker und deren Welt- und Menschenbild dafür gerade stehen müssen, sondern eben ‚Markt‘ im Sinne von sowas wie Wetter, für das niemand was kann. „Mehr Freiheit – weniger Staat!“, heißt die Forderung der bürgerlichen Parteien, aber letztlich halten sie am Staat als Macht-Instrument ihrer ureigenen Interessen (und den Interessen der Makler und Spekulanten) fest. Und das macht auch Sinn, denn hier muss etwas verteidigt werden, dessen Existenzberechtigung immer wieder nur schön geredet werden kann und es ist eine Minderheit, die gegen die Interessen einer Mehrheit regiert. Reich gegen Arm! Die gefühlte Gerechtigkeit einer Ursula von der Leyen hat vielleicht etwas mit „mehr“ Gerechtigkeit zu tun, aber nichts mit Gerechtigkeit als solches. Auch sie ist freiwillig und aus fester Überzeugung eingebunden in den Mechanismen von „Markt“ und „Macht“ und lebt bzw. „a r b e i t e t“ gewissermaßen strategisch. Visionen werden von der Arbeits- und Sozialministerin nicht zu erwarten sein.

Im Westen nichts Neues – Merkel will Sozialausgaben kürzen

Wenn man einmal bedenkt, dass die ganzen sogenannten Trainings- und „arbeitsdiagnostischen“ Feststellungsmaßnahmen und 1-Euro-Jobs und Gymnastikübungen („Fit für den Job“) … nun wahrlich einen Haufen Steuergeld verprassen und im Kontext der Arbeitslosenstatistik nur zu deren Schönung beitragen und ansonsten nur der Beschäftigung bzw. der vorsorglichen Befriedung potenziell Unzufriedener gilt, dann sind da tatsächlich sehr viele Einsparungen möglich.

Aber Merkel redet nicht davon – zumal ihr der Sektor der Maßnahmeträger einen Haufen Arbeitslose in die Statistik spülen würde -, sondern von „Eingliederungshilfen“, die sie kürzen möchte. Eingliederungshilfen sind Lohnzuschüsse, die einen Arbeitgeber entlasten, wenn er entweder einen neuen Arbeitsplatz schafft, der ohne Förderung nicht finanzierbar wäre oder er einen Langzeitarbeitslosen einstellt, dessen Qualifikation erst während der Beschäftigung aktualisiert werden muss.

Da kann man von „Mitnahme-Effekten“ reden, die an den Krisen-Börsen auch Alltag sind, aber doch nicht verleugnen, dass hiermit ggf. tatsächlich über die Schaffung (Oder Erfindung?) neuer Jobs nachgedacht wird. Aber darum scheint es dieser Regierung bzw. diesem Staat gar nicht zu gehen.

Es geht ohne Wenn und Aber darum, die Armen arm, verängstigt und somit erpressbar zu halten. So stehen sie dem heiligen ‚Markt‘ bedingungslos und auf Abruf zur Verfügung. Und zwar für jeden Dreck bis hin zur militärischen Verteidigung „freier Handelswege“ in Afghanistan und anderswo. Darüber hinaus dienen sie als drohende Konkurrenz-Kulisse gegenüber (Noch)Lohnabhängigen, um die Spaltung sogenannter „Klassen“ zu fördern und den solidarischen Widerstand zu brechen. Und wer nicht mehr arbeitsfähig ist, der darf schon jetzt vor sich hinkranken, bis er an der Kopfpauschale sterben wird. (Wer ‚Hartz IV‘ in seinen individuellen Auseinandersetzungen nicht mitdenkt, hat schon verloren bzw. ergibt sich seinem Schicksal.)

Das nennt man Sicherheitsmanagement und offenbart den Angstschweiß auf der Stirn dieser Politiker, sofern theoretisch nur eine historisch unspektakuläre „Bagatelle“ ausreichen kann und der ganze Laden fliegt ihnen um die Ohren. Der soziale Frieden ist lange aufgekündigt, die Solidargemeinschaft zum zerreißen angespannt. Was dieser Staat jetzt spart, wird er alsbald für Gefängnisse brauchen.

Veröffentlicht in Bundespolitik, Hartz IV. 1 Comment »

Eine Antwort to “Alles kriselt nach Plan”

  1. rundschlag09 Says:

    Wie wahr, wie wahr! Auch du bist Deutschland werter Arbeiter und nicht Sozialbezügeempfänger. Die Asoziale Einstellung der im Moment maßgeblichen Politik wird die oben gemeinte Entwicklung auch in dein Leben tragen. Leider wirst du erst dann bemerken und verstehen, wie du mit deiner Haltung und Desinteresse unseren Proletikern auf dein Leim gegangen bist.

    Doch zu spät, Sie haben ihre Gier gestillt und sind vergangen. Doch das Volk ist immer da, und wird die mächtigen Bosse und deren Handlanger in der Politik immer anblöcken. Und doch wird jedes Schaff geschoren, erst recht gründlich die ohne Gegenwehr.

    Schade eigentlich, dass der Mensch das schöne im Leben nicht leben darf, und nur zum ewigen Lebenskampf geboren wird. Und wenn nicht, wird er von denen geführt, die es geschafft haben ihre Interessen durch Gier stärken zu können. Sprich, die eine Lobby haben.

    Wen interessieren da Bedürftige? Die setzen nichts um, die kosten nur Geld. Wären Sie halt nicht so dumm gewesen. Und bis sich da mal etwas kritisches entwickelt, lebe ich eh nicht mehr…


Hinterlasse einen Kommentar