Freibrief für Sozialdumping

Zum heutigen Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) gegen das
Erzherzogtum Luxemburg (Rechtssache C-319/06) erklärt Sahra
Wagenknecht, Europaabgeordnete und Mitglied des Parteivorstandes:

Die Kette der arbeitnehmerfeindlichen Urteile will nicht abreißen.
Heute hat der europäische Gerichtshof zum vierten Mal innerhalb weniger
Monate eine skandalöse Entscheidung zugunsten der europäischen
Konzerne und zu Lasten der Beschäftigten getroffen. Nach Ansicht des
EuGH steht das luxemburgische Arbeitsrecht im Widerspruch zur
Entsenderichtlinie und zur Dienstleistungsfreiheit und muss daher
geändert werden. Wer Arbeitnehmer nach Luxemburg entsendet, ist laut
EuGH nicht dazu verpflichtet, sich an das luxemburgische Arbeitsrecht zu
halten, das eine automatische Anpassung der Löhne an die
Lebenshaltungskosten, die Pflicht zur Einhaltung von Tariflöhnen sowie
fortschrittliche Bestimmungen bzgl. bezahltem Urlaub, Zeitverträgen,
Leih- oder Teilzeitarbeit u.a. vorsieht.
Dies ist nicht nur ein Angriff auf die luxemburgische Regierung, der das
Recht abgesprochen wird, Gesetze zum Schutz aller in Luxemburg tätigen
Beschäftigten zu erlassen. Es ist eine massive Attacke auf die Arbeits-
und Lebensbedingungen der Menschen in ganz Europa! Wie schon in den
Fällen Laval, Viking Line und Rüffert hat der EuGH den Grundfreiheiten
von Unternehmen Vorrang vor Grundrechten und sozialen Standards
eingeräumt. Wieder einmal hat der EuGH den Versuch, gleiche
Arbeitsbedingungen für alle Beschäftigten an einem Ort durchzusetzen,
für illegal erklärt. Das ist nichts weiter als ein Freibrief für
Sozialdumping.
Es sind Urteile dieser Art, die das Vertrauen der Menschen in die
Europäische Union erschüttern. Und dieses Vertrauen wird auch durch
billige Täuschungsmanöver nicht wieder hergestellt: Zwar hat man die
Verkündung des heutigen Urteils extra um einen Monat verschoben, um den
Gegnern des Lissabon-Vertrags in Irland keine weiteren Argumente zu
liefern. Doch zum Glück hat sich eine Mehrheit der irischen
Bevölkerung davon nicht beirren lassen und der unsozialen Politik der
EU eine schallende Ohrfeige erteilt. An diesen Erfolg des irischen
Referendums gilt es nun anzuknüpfen. Gemeinsam mit sozialen Bewegungen
und Gewerkschaften muss für eine grundlegende Neuausrichtung der EU
gekämpft werden. Das Diktat der Kapitalinteressen muss gebrochen und
ein soziales und friedliches Europa neu gegründet werden, welches keine
Volksabstimmung mehr zu fürchten brauchte.

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Quelle:
http://www.die-linke.de/presse/presseerklaerungen/detail/artikel/freibrief-fuer-sozialdumping/